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Bugschuß

Bugschuß

Titel: Bugschuß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hardy Pundt
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viel heißen sollte wie ›die da oben, die haben ein Auge auf dich!‹ An den da oben glaubten hier eh nur wenige.
    Er war kein Konterrevolutionär. Aber Missstände mussten angesprochen werden. Bessere Arbeitsabläufe, mehr Mitbestimmung, mehr Offenheit … Und wenn die Fische kieloben auf den Flüssen trieben, musste man sagen, dass man giftige Industrieabwässer nicht einfach in die Natur kippen durfte. Das Land sollte Zukunft haben, jawohl! Das waren positive Ziele!
    Er sollte lernen, dass er irrte.
    Die Zeit für seine Familie war knapper geworden. Mehr und mehr hatte seine Frau die Aktivitäten kritisch gesehen, obwohl sie zunächst selbst mitgemacht hatte. Dann kamen Anmerkungen, im Konsum, woanders … Es schien, als brächten ihm mehr kritische Fragen vom Werkleiter gleichzeitig ebensolche seiner Frau ein. Schließlich hatten sie ein Kind, man musste aufpassen, die da oben waren in der Lage, das einzubeziehen. Das hörte man, das war Methode, wenn es galt, den Druck auf Querköpfe zu erhöhen. Es hatte Streit darüber gegeben. Unsicherheit und Unzufriedenheit breiteten sich aus wie dunkle Wolken am Horizont, die Unheil ankündigten. Abends zog er den Vorhang vor dem Fenster etwas auf, wenn er loswollte, zum Treffen. Ganz langsam, vorsichtig, nur einen Spalt breit. ›Da steht wieder der Wagen! Ein Wartburg. Die beobachten uns!‹
    ›Du siehst Gespenster. Und wenn es so ist: Lass es sein, denk an unser Kind!‹ Mehr sagte sie nicht, hatte sich im Bett umgedreht. Geschlafen hatte sie nicht.
    Es ging nicht mehr geradeaus. Bei der Arbeit wuchs die Lustlosigkeit, er zweifelte plötzlich an seinem Protest, seiner Kritik. Hatte sein Engagement nicht zur miesen Stimmung in seiner Familie beigetragen? Wurde er im Betrieb nicht immer mehr gemieden?
    Er wurde unsicher und dachte ernsthaft darüber nach, alles hinzuwerfen, den kritischen Gruppen den Rücken zu kehren, offiziell zu sagen: ›Ich bin nicht mehr dabei.‹
    Das Klingeln an der Haustür, sonntags, in aller Frühe, veränderte alles. Langsam war seine Frau zur Tür gegangen. Drei Männer standen dort, erneut solche mit sehr unfreundlichen Mienen. Der eine sagte, nach gleichgültig klingender Begrüßung: ›Ihr Mann soll ein paar Dinge einpacken, er muss mitkommen!‹
    Sie konnte nichts erwidern.
    Leise fragte er: ›Warum?‹, als er hinter seiner Frau im kleinen Flur der Wohnung aufgetaucht war.
    »Zur Klärung eines Sachverhalts«, war die erschöpfende Antwort.
    Sie drehte sich zu ihm, hatte Tränen in den Augen, die sagten: ›Siehst du? Jetzt ist es so weit! Scheiße!‹
    Die Männer sahen ihn mit ausdruckslosen Augen an.
    ›Aber, damit das klar ist: Die Fragen stellen wir. Also, los, kommen Sie!‹
    Es folgten Verhöre. Sie wollten ihm nicht glauben. Sie statuierten ein Exempel. So ergeht es feindlich gesinnten, negativen Elementen.
    Es wurden Jahre. Lange Jahre in der Untersuchungshaftanstalt am Demmlerplatz in Schwerin.

24
     
     
    »Man versteht sich nicht mit jedem gleich gut. Das geht letztendlich allen so, oder?« Harm Wientjes war müde. Er war geschockt über den Schuss, der das nette Beisammensein mit seiner Freundin und Dietmar Stöwers so abrupt beendet hatte.
    »Die Schüsse am Großen Meer und der in ihr Wohnzimmer zeigen auf jeden Fall, dass sie in großer Gefahr schweben.« Tanja Itzenga legte Dramatik in ihre Worte.
    Wientjes betrachtete eine Ecke seiner Küche, die er offenbar gemütlich und ansprechend fand. Wientjes’ Freundin hatte Tee zubereitet, den Itzenga und Ulferts genossen, während Wientjes verunsichert schien, sich nicht auf seinem Platz halten konnte, unentwegt aufstand, um sich gleich darauf wieder zu setzen, und dabei offensichtlich nur schwer den Worten der Polizistin folgen konnte.
    »Wer macht denn so etwas?«, bemerkte er abwesend.
    »Wenn wir das wüssten, würden wir Ihnen keine Fragen stellen.«
    »Meine Güte«, rief Wientjes, »ich gehe meiner Arbeit nach – da läuft alles ganz wunderbar! Ich wohne hier in meinem Haus und tue niemandem …«, er verharrte kurz, setzte dann fort, »etwas. Ich rudere regelmäßig, soweit es Wind und Wetter oder Eisgang im Winter zulassen. Wieso sollte jemand auf mich schießen, Himmelherrgott?«
    »Kennen sie einen Siebold de Vries?« Ulferts stellte diese Frage völlig unvermittelt.
    Wientjes sah verständnislos in die Leere.
    »Wer soll das sein?«
    »Kennen Sie eine Person mit diesem Namen, oder nicht?«
    »De Vries? Nein. Oder, halt …« Wientjes

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