Bujold, Lois McMaster - Die magischen Messer 2
unseren ersten Trupp losgeschickt habe, werde ich einen zweiten z u sammenstellen – und nur die verlorenen Götter wissen bisher, woher ich die Leute dafür kriegen soll. Aber ich habe das ung u te Gefühl, dass wir ihn bra u chen werden. «
Dag rieb sich die Stirn. »Die Leute aus Feuchtwalde werden im Augenblick abgelenkt sein. Sich auf die falschen Dinge ko n zentrieren, auf die Verteidigung und die Flüchtlinge und die Verletzten. Sie werden außer sich vor Sorge umeinander sein und kaum an die beste Möglic h keit denken: ein Messer in das Übel zu stechen. Alles andere ist nur eine Ablenkung. «
»Es könnte sein, dass ein Außenstehender eher einen klaren Kopf behält «, deutete Fairbolt an.
»Nicht unbedingt. Es ist dreißig Jahre her, seit ich z u letzt im Norden von Feuchtwalde auf Patrouille war, aber ich habe i m mer noch ein paar Freunde dort. «
»Und erinnerst du dich auch noch an die Gegend? «
»Ein wenig «, räumte Dag widerwillig ein.
»Genau. Ich selbst bin nie dort gewesen. Ich habe mir übrigens gedacht, dass ich Saun als Kundschafter dem Truppführer z u ordne. «
Dag verzichtete auf eine direkte Antwort, legte aber die Hand an die Kehle. »Ich habe derzeit kein geprägtes Messer. Das erste Mal seit Jahrzehnten, dass ich ohne unterwegs bin. Normale r weise hatte ich zwei dabei, manchmal sogar drei. Du hattest doch gefragt, was außer meiner zusätzlichen Dienstzeit noch dazu beigetragen hat, dass ich so viele Übel erwischt habe? Die Leute h a ben mir mehr Messer gegeben. So einfach war das. «
»Es ist nicht Aufgabe des Truppführers, den entsche i denden Stich anzubringen. Seine Aufgabe ist es, die Leute mit den Messern an den richtigen Platz zu stellen. «
»Ich weiß. « Dag seufzte.
»Und ich weiß, dass du das weißt. Also. « Fairbolt e r hob sich. »Ich werde nun noch jedem anderen auf dieser Seite der Insel Bescheid geben. Dann reite ich auf demselben Weg wieder z u rück. Du kannst mir dann deine Entscheidung mitteilen. «
Er sagte nicht, beredet es untereinander, aber die Au f forderung war deutlich. Er starrte Fawn einen Moment lang an, als würde er darüber nachdenken, eine Bitte an sie zu richten. Dann aber schüttelte er nur den Kopf. Sein Pferd trottete heran, und er trat auf seinen Sitzblock und stieg auf. Augenblicke später war er wieder auf der Str a ße und trieb das Tier zum Galopp.
Dag war gemeinsam mit Fairbolt aufgestanden. Nun stand er da und blickte ihm nach. Seine Züge wirkten angespannt und in sich gekehrt, als hätte er ein ganz anderes Bild vor Augen. Fawns eigenes Gesicht fühlte sich an wie erstarrt, wie hart g e wordener, kalter Teig. Sie e r hob sich ebenfalls und trat an Dags Seite. Sie schlossen einander in die Arme und hielten sich g e genseitig fest.
»Zu früh «, flüsterte Dag. Er schob sie ein wenig von sich fort und blickte besorgt auf sie herab. Fawn fragte sich, was für e i nen Sinn es hatte, eine tapfere Miene zur Schau zu tragen, wenn er geradewegs hindurch und auf die aufgewühlte Essenz blicken konnte, die derzeit unter ihrer Oberfläche brodeln musste. Trotzdem drückte sie die Wirbelsäule durch und versuchte, den Atem gleic h mäßig zu halten und die Lippen ruhig.
»Fairbolt hat allerdings Recht, was die Erfahrung b e trifft «, fuhr er fort, und seine Stimme klang wieder kräft i ger. »Das ist eine andere Sache als die Jagd auf ortsg e bundene Übel, selbst als dieses Durcheinander bei Gla s hütten. Ich wälze die Listen mit den Streifenreitern in meinem Kopf hin und her und denke mir ständig: Sie wissen es nicht. Vor allem die jungen. Wie weit nör d lich von Landheim lag eigentlich diese Stadt? Eigentlich sollen nördlich der seit langem als abgesichert geltenden Linie keine Niederlassungen der Landleute erlaubt sein …«
Brüsk schüttelte er den Kopf und ergriff ihre Hände. Seine go l denen Augen funkelten auf eine Weise, wie Fawn es nie zuvor gesehen hatte; lodernd wäre vielleicht der richtige Ausdruck dafür gewesen.
Sie schluckte und sagte: »Du hast das schon einmal g e tan. Die Frage lautet also nicht, ob du es tun kannst, so n dern ob du es besser tun kannst als irgendwer, der es zum ersten Mal ve r sucht? «
»Nein … Ja … Vielleicht … Es ist schon eine Weile her. Aber trotzdem: Wenn ich es nicht tue, wem will ich es dann zumuten, statt meiner zu gehen? Irgendjemand muss es tun …«
Fawn streckte die Hand empor und drückte die Finger auf seine Lippen, was ihn zum Schweigen brachte. »Wen
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