Bujold, Lois McMaster - Die magischen Messer 2
willst du hier eigentlich überzeugen, Dag? «
Für die Dauer mehrerer Herzschläge war er still, auch wenn sich allmählich ein schwaches, schiefes Lächeln auf seinen Mund schlich. Kaum mehr als die Andeutung eines Lächelns.
Fawn holte tief Luft. »Als ich einen Streifenreiter a n stelle eines Bauern heiratete, wusste ich, dass mich etwas in der Art erwa r ten würde: Du musst gehen – und ich zurückbleiben. « Sein e Hand legte sich auf ihre Schulter, spannte sich an … »Es kommt ein wenig früher dazu, als wir beide erwartet hätten, aber … i r gendwann muss das erste Mal sein. « Sie hob beide Arme, um se i ne geliebten Wangenknochen zwischen den Händen zu halten. Sie drückte fest zu und b e wegte dabei ein wenig seinen Kopf. »Sieh nur zu, dass es nicht das letzte Mal ist, hörst du? «
Er zog sie wieder an sich. Sie konnte fühlen, wie sich sein Herzschlag beruhigte. Dags Geruch überwältigte sie, als sie sich ihm zuwandte und das Gesicht in seinem Hemd vergrub: Schweiß und Sommer und Sonne und einfach nur Dag. Sie öf f nete den Mund, und ihre Nase n flügel weiteten sich, als könne sie ihn einatmen und so aufbewahren. Für immer. Und noch einen Tag. Nun, es gab kein für immer. Dann nehme ich den Tag.
»Hast du keine Angst, allein hier zurückzubleiben? «, murmelte er in ihre Locken.
»Auf der Liste der Dinge, vor denen ich mich fürchte, ist dieser Punkt gerade nach unten gerutscht. Ein gutes Stück weit. «
Sie spürte sein Lächeln. »Du musst mir zugestehen, dass ich bisher immer zurückgekommen bin. «
»Ja. Die anderen Streifenreiter in Glashütten meinten, in dieser Hinsicht wärst du wie eine Katze. « Aber trot z dem sind sie alle losgezogen und haben nach dir gesucht. »Wenn ich mal wieder ganz außer mir war und in Tränen aufgelöst, weil eine unserer Katzen sich wieder in Schwierigkeiten gebracht hatte, pflegte mein Papa stets zu sagen: Liebes, hast du je das Skelett einer Katze in einem Baum gesehen? «
Dieses tiefe, leise Lachen, das sie so sehr liebte und in letzter Zeit viel zu selten gehört hatte, brachte seinen Brustkasten zum Vibrieren. Sie standen da und hielten einander umklammert, bis der unwillkommene Klang von Hufschlägen die Straße entlan g kam. »Also gut «, murme l te Fawn. Sie trat zurück und blickte auf.
Dag sah mit einem eigenartigen Lächeln zu ihr hinab und erw i derte ihr Nicken. Er drückte sie und ließ sie los, bis auf ihre Hand. Dann wandte er sich Fairbolt zu, der vom Pferd zu ihm hinunterschaute.
Fairbolt sagte nichts, sondern hob nur fragend die Brauen.
»Ich will mit dieser Botin sprechen «, verkündete Dag. »Und nochmal einen gründlichen Blick auf sämtliche Detailkarten werfen, die wir vom Norden der Feuchtwa l de - Region haben. «
Fairbolts einzige Reaktion darauf war eine knappe Bewegung mit dem Kinn. »Dann sitz hinter mir auf. Ich nehm dich zum Hauptquartier mit. « Er wendete das Pferd mit den Knien, und Dag trat auf einen Block und schwang sich hinauf. Das schwer beladene Tier strebte in schnellem Schritt wieder der Straße zu.
Fawns Augen brannten, aber sie blieben trocken. Weitestg e hend. Blinzelnd schlüpfte sie ins Zelt, um zu sehen, wie sie he l fen konnte, Dags Satteltaschen vorzubereiten.
9. Kapitel
Es wurde Mitternacht, bevor Dag zum Zelt Blaufeld zurüc k kehrte. Fawn hob den Kopf beim Klang seiner Schritte, die langsamer als üblich durch die Dunkelheit herankamen. Mit einem Ast schürte sie nochmal das L a gerfeuer und entzündete ihre Kerze daran. Im schwachen, goldenen Lichtschein läche l ten seine Lippen ihr zu, aber seine Augen blickten abwesend.
»Ich habe mich schon gefragt, ob du noch Gelegenheit zum Schlafen kriegst «, stellte sie ruhig fest und erhob sich.
»Ein wenig. Nicht viel. Kurz vor Sonnenaufgang sa t teln wir die Pferde. «
»Das ist doch keine Art, so müde loszureiten. Soll ich wach bleiben, um dich zu wecken? « Das wären jetzt nicht mehr allzu viele Stunden.
»Nein. Jemand wird mich abholen. Ich versuche, ke i nen Lärm zu machen. «
»Wag es bloß nicht, dich davonzustehlen, ohne mich zu w e cken «, sagte sie ein wenig heftig und ließ ihn hi n ein. Im Zelt lag der Inhalt seiner Satteltaschen in ordentlichen Stapeln ausg e breitet. Sein Bogen lag daneben und der Köcher voll mit Pfe i len. »Ich wollte deine Ausrü s tung einpacken, aber dann dachte ich mir, ich lasse sie dich besser noch einmal durchgehen. So kannst du sehen, ob ich auch alles richtig zusammengesucht habe.
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