Bullenhitze
Hain darüber hinweg, »darüber reden wir später. Die Geschichte mit dem Krematorium interessiert uns viel mehr. Und wenn Sie uns da nicht hängen lassen, werden wir bestimmt beim Staatsanwalt ein gutes Wort für Sie einlegen.« Er beugte sich zu dem zitternden, wimmernden Mann hinunter, dessen Habitus nun rein gar nichts mehr vom glorreichen Olympiateilnehmer mit Sunnyboyattitüde hatte. »Und das, da bin ich sicher, können Sie gut gebrauchen.«
Nun war Bittners Widerstand gebrochen.
»Ich sage Ihnen alles, bestimmt, aber dafür müssen Sie dann auch wirklich ein gutes Wort für mich einlegen. Das müssen Sie mir versprechen.«
Hain stemmte sich hoch und sah Lenz an. »Am liebsten würde ich ihm eine schmieren, damit er vernünftig mit uns redet«, bemerkte er genervt.
Lenz winkte ab. »Lass stecken, Thilo, der ist schon weich«, erwiderte er leise.
»Also, die Sache mit der BI ist eigentlich ganz einfach«, begann der Athlet dann doch von selbst. »Mich hat dieses blöde Krematorium doch von Anfang an gar nicht interessiert, nicht die Bohne. Ich wollte mit Yvonne zusammen sein, nichts weiter. Und weil ich wusste, dass sie bei denen mitmacht, bin ich auch hingegangen. Aber irgendwie hat sich das verselbstständigt«, schluchzte er.
»Was heißt das, es hat sich verselbstständigt?«, bohrte Hain nach.
»Na ja, die haben sich regelrecht auf mich eingeschossen. Auf einmal war ich der Vorzeigegegner des Projekts, da konnte ich doch nicht so einfach wieder aussteigen. Aber als Yvonne mir vor ein paar Wochen gesagt hat, dass sie was mit diesem blöden Typen angefangen hat, der auch in der BI mitmacht, ist mir nichts Besseres eingefallen, als mich an ihr zu rächen. Ich bin aus der BI ausgestiegen und hab überall erzählt, dass ich nichts mehr gegen den Bau habe. Außerdem …« Er stockte.
»Was außerdem?«
»Außerdem habe ich noch ein Arrangement mit dem Bauunternehmer Kronberger getroffen.«
»Mit Werner Kronberger?«, fragte Lenz überrascht zurück.
»Nein, nicht mit dem Alten. Mit seinem Sohn, Roland Kronberger.«
»Worum ging es bei diesem Arrangement?«
Bittner sah vom einen zum anderen, antwortete jedoch nicht.
»Oh Mann!«, zischte Hain.
»Er hat mir Geld gegeben.«
»Einfach so?«
»Wir kennen uns, seit wir mal ein paar Jahre auf derselben Schule gewesen sind. Er hatte in den letzten Monaten mehrmals bei mir angerufen und mich umzustimmen versucht, aber das ging nicht, wegen Yvonne.«
»Und nachdem Ihre Freundin Sie verlassen hatte, war das die passende Rache. Garniert mit wie viel Euro?«
»100.000.«
»Nicht schlecht. 100.000 Mücken, das mildert den Liebeskummer bestimmt gewaltig«, gab Hain von sich.
»Quatsch«, widersprach Bittner. »Was wissen Sie denn schon?«
»Nichts«, bestätigte Hain. »Mir hat eben noch nie jemand meinen Liebeskummer mit 100.000 Euro vergütet.«
»Aber ich habe sie wirklich geliebt. Ich liebe sie doch immer noch.«
»Ich bin sicher, sie wird hoch erfreut sein, das zu hören. Wenn sie denn den Tag überlebt«, ätzte Hain.
»Sie wird überleben, bestimmt. Ich wollte ihr doch nicht weh tun.«
Lenz gab seinem Mitarbeiter durch ein Zeichen mit dem Kopf zu verstehen, dass er mit Bittner allein sprechen wollte.
Der Oberkommissar grinste kurz und verzog sich.
»Ich muss mich für meinen jungen Kollegen entschuldigen, Herr Bittner«, ging Lenz einen Schritt auf den ehemaligen Athleten zu. »Aber Sie machen es uns auch wirklich nicht leicht. Also, wie ist das genau gelaufen mit dem Geld und mit Ihnen und Herrn Kronberger?«
Bittner sah den Hauptkommissar dankbar an. Offenbar war er heilfroh, nicht mehr von Hain in die Mangel genommen zu werden. Dann griff er sich an den Hinterkopf und stöhnte dabei leise auf.
»Haben Sie Schmerzen?«
Der Olympiateilnehmer nickte. »Aber es wird schon gehen.«
»Schön.«
»Roland Kronberger und ich sind, wie gesagt, ein paar Jahre lang zusammen zur Schule gegangen. Er war eine Jahrgangsstufe höher als ich, aber man lernt sich halt kennen. Nachdem er Abi gemacht hat, haben wir uns nur noch sporadisch gesehen, aber nie ganz aus den Augen verloren. Und dieses Jahr im April oder Mai kam auf einmal eine SMS von ihm mit der Einladung, gemeinsam essen zu gehen. Dabei hat er mir dann erzählt, dass sein Vater in der Krematoriumssache engagiert ist. Und ob ich nicht darüber nachdenken wollte, die Seite zu wechseln. Ich fand die Idee lustig, weil mir der ganze Rummel wegen der BI und so mächtig auf die Nerven gegangen ist.
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