Bullenhitze
ein Schild mit der Aufschrift ›Dr. Bohl‹ auf der Jacke trug, warf einen Blick auf den Bewusstlosen, drehte sich weg, sah wieder hin, verzog überrascht das Gesicht und griff nach dessen Handgelenk.
»Das ist Wohlrabe, der Bestatter«, erklärte er, während er sein Stethoskop aus der Jacke zog und die Bügel mit der freien Hand in die Ohren fummelte.
Nun beugten sich der Sanitäter und seine Kollegin über den Badewannenrand und sahen ins Gesicht des Patienten. »Richtig, das ist er«, stimmte die Frau zu.
»Wie ist er denn hier gelandet?«, wollte der Sanitäter von Brandau wissen, während der Arzt sich bemühte, bei dem Bestattungsunternehmer einen Puls festzustellen.
»Das ist …«, wollte Brandau antworten, wurde jedoch von Dr. Bohl barsch unterbrochen.
»Kammerflimmern! Defi, aber rasch«, verlangte er von den beiden rot gekleideten Helfern. Der Mann schob Brandau aus der Tür in den Flur, öffnete die große, schwarze Kunststofftasche, die er vorher dort abgestellt hatte, und zog ein Gerät von der Größe eines kleinen Computers heraus. Er machte den Defibrillator einsatzbereit und stellte ihn neben den Mediziner. Dr. Bohl sah, während er Wohlrabes Herz massierte, auf das Display, wartete ein paar Sekunden, bis eine grüne LED aufleuchtete, und griff zu den beiden Paddles, die rechts und links an der Seite eingeklinkt waren. Er hob sie aus den Halterungen und sah dem Sanitäter dabei zu, wie er Wohlrabe zuerst die Krawatte öffnete, dann das Sakko, und zum Schluss das Hemd.
»Moment«, brüllte der Sanitäter und klopfte mit einem Fingerknochen gegen die Badewanne.
»Passt schon, ist Kunststoff.«
»Dann alles zur Seite«, erwiderte der Arzt, und drückte die Paddles links oberhalb und rechts unterhalb von Wohlrabes Herz auf den Brustkorb. Der Bestatter wurde durch die Wirkung des Stromstoßes leicht angehoben, sackte jedoch sofort in seine Ausgangsposition zurück. Dr. Bohl reichte dem Sanitäter die beiden Elektroden, griff zum Stethoskop, drückte das Bruststück auf Wohlrabes Oberkörper und lauschte.
»Raus mit ihm aus der Wanne«, rief er seinen Begleitern zu, riss sich die Ohrbügel des Stethoskops herunter und sprang auf. Zu dritt hoben sie den Bestattungsunternehmer aus der Badewanne und legten ihn im deutlich breiteren Flur ab.
»Oberkörper freimachen, komplett«, forderte der Notarzt. »Und Suprarenin, intrakardial. Pronto!«
Die Sanitäterin sprang zu ihrer Tasche, zog einen Reißverschluss auf, griff nach einer Ampulle, bereitete die Injektion vor, und reichte dem Notfallmediziner die fertige Spritze. Dr. Bohl fühlte mit zwei Fingern nach der richtigen Stelle, setzte die Nadel an, stach zu, und drückte den Kolben langsam bis zum Anschlag. Nach dem Herausziehen der Kanüle massierte er erneut das Herz des Bestatters.
Brandau betrachtete die ganze Szene mit gehörigem Unverständnis.
»Vorbei«, sagte der völlig durchgeschwitzte Notarzt zehn Minuten später zu seinen Begleitern.
»Nicht noch ein Versuch mit dem Defi?«, fragte die Sanitäterin.
»Nein, da kommt nichts mehr. Er ist tot.«
»Scheiße«, murmelte sie und begann, die herumliegenden Utensilien einzusammeln.
Dr. Bohl stand auf, streifte sich die Einweghandschuhe von den Fingern und trat neben Brandau. »Was wollte er bei Ihnen? Haben Sie einen Trauerfall?«
Der Bauarbeiter nickte. »Ja. Meine Frau ist gestern Abend gestorben. Während der Sportschau.«
»Mein Beileid. Und Sie hatten einen Termin mit ihm?«
»Nein, eigentlich nicht. Ich dachte, ich muss morgen da hingehen, um alles klar zu machen.«
Bohl schüttelte den Kopf. »Nun ja. Es ist nicht ungewöhnlich, dass der Bestatter vorbeikommt, um die Details zu klären. Allerdings, wenn er keinen Termin hatte …« Er sah auf den toten Mann im Flur. »Wie war das denn, als er hier ankam?«
»Na, wie wohl. Er hat geklingelt, und ich hab aufgemacht. Dann kam er hier oben an und ich dachte mir gleich, dass mit ihm was nicht stimmt. Er hat ganz doll geschwitzt, und so warm ist es ja draußen gar nicht. Außerdem hat er sich den Bauch gehalten. Und bevor er mir richtig erklären konnte, wer er eigentlich ist, hat er mich gefragt, ob er mein Klo benutzen kann. Klar, hab ich gesagt, weil, der sah wirklich schlecht aus. Dann ist er ins Bad gestürzt, hat alles vollgekotzt, und ist umgefallen. Das war’s eigentlich. Ich hab noch versucht, ihn aufzuwecken, aber er war ziemlich hinüber.«
»Aber Sie haben ihm nichts gegeben – ein Medikament oder etwas
Weitere Kostenlose Bücher