Bullenhitze
nicht. Wie gesagt, wir ermitteln in alle Richtungen.«
Ein Ruck ging durch ihren Körper.
»Entschuldigung …, ich …«, stammelte sie, öffnete die Glastür, und bat Lenz ins Haus.
Monika Wohlrabe stand mit einem Glas Wasser in der Hand vor einem riesigen Fenster und weinte. Draußen schneite es noch immer, und Lenz hatte den Eindruck, dass das schlechte Wetter durch die lange Glasfront noch um einiges deprimierender auf ihn wirkte. Sie hatte ihre Mutter angerufen, die sich sofort auf den Weg machen wollte, und danach angezogen. Dann hatte Lenz ihr die Umstände erklärt, unter denen ihr Mann gestorben war.
»War Ihr Mann krank, Frau Wohlrabe?«
Sie nahm einen Schluck Wasser und dachte kurz nach. »Nichts, worüber wir uns Sorgen gemacht hätten. Sein Blutdruck war an manchen Tagen ein bisschen hoch, aber das hat er mit Sport unter Kontrolle gehalten. Manchmal hatte er einen nervösen Magen, so wie letzte Nacht auch, aber daran stirbt man doch nicht.«
»Sein Herz war in Ordnung?«
»Ja, absolut. Er war erst vor ein paar Wochen zum jährlichen Check, das Belastungs-EKG sah sehr gut aus, wie er mir sagte.«
»Gibt es jemanden, mit dem sich Ihr Mann überhaupt nicht verstanden hat?«
»Sie meinen, ob er Feinde hatte?«
Lenz nickte.
Wieder zögerte sie, bevor sie antwortete. »Jeder Bestattungsunternehmer hat Feinde, und das nicht zu knapp, Herr Kommissar. Und die kommen in der Regel aus seinem Berufsstand.«
»Sie meinen seine Kollegen?«
»Kollegen, Wettbewerber, Konkurrenten, nennen Sie sie, wie Sie wollen. Das Bestattungswesen ist ein heiß umkämpfter Markt, auf dem mit harten Bandagen gearbeitet wird.«
»Aha«, machte der Kommissar. »Wie alt war Ihr Mann eigentlich?«
»Er war 58 Jahre alt.«
»Darf ich Sie nach Ihrem Alter fragen?«
»Ich bin 29.«
»Ein gehöriger Altersunterschied.«
»Richtig.«
Lenz hätte gerne mehr über diese Differenz erfahren, wollte die Frau jedoch nicht verärgern und hakte deshalb nicht weiter nach.
»Wollen Sie mir ein wenig mehr über das Bestatterwesen erzählen? Sie meinten …«
»Das Bestatterwesen als solches, das gibt es nicht«, unterbrach sie ihn. »Es gibt einen Haufen Bestattungsunternehmer, von denen jeder einzelne dem anderen die Butter auf dem Brot nicht gönnt. Mein Mann war der größte Anbieter in Kassel, und der größte schart automatisch immer die meisten Neider um sich.«
»Ich kenne den Markt nicht so genau, Frau Wohlrabe. Wie viele Bestatter gibt es in der Stadt?«
»Da fragen Sie mich zu viel.«
Wieder liefen dicke Tränen über ihr Gesicht. »Außerdem würde ich Sie bitten, mich jetzt allein zu lassen. Ich bin im Moment wirklich nicht in der Lage, weiterhin Ihre Fragen zu beantworten.«
»Selbstverständlich«, hob er wie zur Entschuldigung die Hände. »Dafür habe ich volles Verständnis. Eine Frage zum Abschluss hätte ich noch, aber das geht ganz schnell.«
»Wenn es nur eine ist, bitte.«
»Ja, nur eine. Sie sagten vorhin, dass Ihr Mann einen nervösen Magen gehabt hätte, der ihn auch in der letzten Nacht plagte. Wie darf ich mir das vorstellen?«
»Er hat wenig geschlafen und sich mehrmals übergeben. Auch erzählte er mir heute Morgen, dass er unter Durchfall litt.«
»Und das kam häufig vor?«
»Nicht oft, aber eben manchmal. Sein Magen war nicht sehr belastbar, wie gesagt.«
»Vielleicht hatte er einfach gestern etwas Falsches gegessen?«
»Das haben wir auch vermutet. Wir waren gestern Abend Teilnehmer an einem sogenannten Dark Dinner, was nichts anderes heißt, als dass man seine Mahlzeit in totaler Dunkelheit einnimmt.«
»Wie meinen Sie das, in totaler Dunkelheit?«, fragte der Kommissar nach.
»Nun ja, der Raum ist absolut dunkel. Man sieht weder, was man isst, noch, was man trinkt. Und man weiß zu allem Überfluss auch nicht, was man zu essen bekommt.«
»Und Sie vermuten, dass sich Ihr Mann bei diesem Essen den Magen verdorben hat?«
»Wie gesagt, Herr Kommissar, das weiß ich nicht genau. Er hat es vermutet.«
»Wo hat das Essen stattgefunden?«
»Im Piccolo Mondo, in der Innenstadt.«
Lenz stand auf. »Dann will ich Sie jetzt nicht länger stören, Frau Wohlrabe. Nochmal mein herzliches Beileid und auf Wiedersehen.«
»Finden Sie allein hinaus?«
»Ja, natürlich. Bleiben Sie nur hier.«
Er reichte ihr die Hand, verabschiedete sich, und verließ das Haus.
»Hast du schon einmal von einem Dark Dinner gehört?«
Uwe Wagner am anderen Ende der Leitung drehte die Musik leiser, bevor
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