Bullenhitze
sicherlich nicht auf die Nase gebunden haben, mit wem er sich da trifft.«
»Gott bewahre, nein. Das habe ich meinem Spürsinn zu verdanken. Ich hatte diesen Termin in seinem Kalender gesehen. Wenn er etwas zu verheimlichen hat, macht er immer nur ein kleines Sternchen und schreibt Ort und Zeit dazu. Also habe ich mich ins Auto gesetzt und bin hingefahren, um zu sehen, was sich hinter dem Sternchen verbirgt.«
»Alle Achtung, Patzner, Sie sind Ihr Geld tatsächlich wert. Meinen Sie, es wird Ihnen möglich sein, mehr über dieses Treffen zu erfahren, speziell, worum es dabei ging? Immerhin könnte es sein, dass die beiden einfach nur Gefallen aneinander gefunden und sich rein privat getroffen haben.«
»Und die Erde ist eine Scheibe«, unkte Patzner. »Natürlich ist da irgendwas im Busch. Ich hätte Sie ohnehin angerufen, weil Himmelmann in der vergangenen Woche so ein paar kryptische Andeutungen gemacht hat, von wegen Wettbewerb und so. Ich glaube, der Belgier hat ihm ein Angebot gemacht, das er nicht ablehnen konnte, deshalb ist er wieder im Spiel, und zwar mittendrin.«
Kronberger griff in die Innentasche seines Mantels, zog seine Brieftasche heraus, entnahm ihr einen Fünfhunderteuroschein, und hielt ihn Patzner hin. Der fixierte den Schein, zierte sich jedoch, zuzugreifen. »Nun werden Sie mal nicht albern, Mann. Sie liefern Informationen, ich bezahle. Dass diese Art von Deal nicht legal ist, wissen wir seit dem ersten Mal. Also.«
Nun griff Patzner zu. »Eigentlich mache ich das nicht wegen des Geldes, Herr Kronberger. Mir liegt eher das Wohl der Gemeinde Hofgeismar am Herzen.«
Und, dachte Kronberger, dass du vielleicht irgendwann deinen Boss beerben kannst.
12
Die Sonne hatte sich längst Richtung Westen verabschiedet, als Lenz beschloss, nach Hause zu fahren und ins Bett zu kriechen. Er war todmüde und gleichzeitig hellwach, in seinem Mund schmeckte es seifig und er hatte die totale Panik, Maria zu verlieren. Auf Höhe der Berliner Brücke klingelte sein Mobiltelefon. Für einen Augenblick war ihm danach, den Anruf nicht entgegenzunehmen, dann wurde ihm jedoch sofort klar, dass er damit den Lauf der Ereignisse nicht würde aufhalten können. Mit trockener Kehle meldete er sich.
»Ja, Lenz.«
»Franz, Göttingen«, kam es zurück.
»Hallo, Herr Doktor. Mit Ihrem Anruf hätte ich heute beim besten Willen nicht mehr gerechnet. Was kann ich für Sie tun?«
»Ich kann etwas für Sie tun, Herr Lenz. Ich kann Ihnen nämlich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sagen, dass dieser Wohlrabe von heute Morgen nicht eines natürlichen Todes gestorben ist, sondern dass nachgeholfen wurde, von wem auch immer.«
Lenz schnappte nach Luft. »Erzählen Sie!«
»Die Sache war mir gleich nicht geheuer, wie ich Ihnen bereits gesagt habe. Weil ich nichts Wichtiges sonst auf dem Tisch hatte, bin ich dem Kerl gleich zu Leibe gerückt. Und siehe da, in seinem ziemlich übel zugerichteten Magen und im Darm fanden sich Reste von Rizinussamen.«
»Rizinussamen?«, fragte Lenz fassungslos zurück, während er sich bildlich vorstellte, wie Wohlrabe an Rizinus gestorben sein könnte.
»Ja, Rizinussamen. Und jetzt streichen Sie mal gleich den Gedanken aus Ihrem Hirn, den Sie gerade hatten. Obwohl er in einem Badezimmer mit Toilettenbecken gestorben ist, hat er sich nicht …, na, Sie wissen schon.«
»Wie stirbt man denn an Rizinussamen, wenn man sich nicht ›na, Sie wissen schon‹ hat.«
»Rizin, der Wirkstoff, um den es hier geht, ist eines der stärksten Gifte, die unsere Natur im Angebot hat, Herr Kommissar. Und die Menge der Samenkörner, die ich in Magen und Darm des Herren gefunden habe, hätte vermutlich ausgereicht, um mehrere Männer seines Kalibers zu töten; wobei die Literatur, was die letale Dosis angeht, etwas uneinheitlich daherkommt.«
Lenz konnte dem Rechtsmediziner nicht recht folgen, war aber guter Hoffnung, dass Dr. Franz noch ein paar Erläuterungen nachschieben würde, was dann auch ohne Verzögerung geschah.
»Ich erkläre es Ihnen mal so, als ob Sie ein totaler medizinischer Laie wären«, fuhr Franz schmunzelnd fort. »Rizin ist ein Gift, das, egal wie es dem Organismus zugeführt wird, dafür sorgt, dass die kontaminierten Zellen absterben. Im Fall Wohlrabe betrifft das hauptsächlich das Verdauungssystem, also Magen, Darm, Leber und Nieren. Normalerweise hat der Betroffene ein paar Stunden länger Zeit, sich auf den Tod vorzubereiten als unser Bestatter, aber es hängt
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