Bullenhitze
mich über einen der Tische beugen.«
Damit drehte der Polizist sich um, nahm Kurs auf den nächsten Tisch, und beugte sich nach vorn. Die Schärfe wurde blitzartig nachgeregelt, dann konnte er das Muster der Tischdecke erkennen. Verrückt, dachte er und nahm das Gerät zur Seite. Noch immer tanzten kleine grüne Punkte vor seinen Augen.
»Sie können das Licht wieder anmachen, Herr Petroni.«
»Mache ich, aber Sie dürfen dabei nicht in das Nachtsichtgerät sehen, davon kann man angeblich blind werden.«
»Nein, ich habe es von den Augen weggenommen.«
»Gut, dann schalte ich das Licht jetzt ein.«
Es gab ein leises Geräusch, dann wurde es wieder hell im Raum.
»Interessant«, bemerkte Lenz, und reichte dem Mann das Gerät.
»Ja. Am Anfang hatte ich Schwierigkeiten, damit zu gehen, weil ich mir vorkam wie betrunken, aber das hat sich bald gelegt. Nun bemerke ich es kaum noch, wenn ich es trage.«
»Und wenn Sie den Raum verlassen, schalten Sie es aus?«
»No, Commissario. Ich klappe es einfach in der Halterung nach oben, das ist viel besser und geht schneller.«
»Wollen wir wieder in Ihr Büro zurückgehen? Ich hätte noch ein paar Fragen.«
»Si, naturalmente.«
»Ist Ihnen gestern Abend etwas an den Teilnehmern dieses Essens aufgefallen?«, wollte Lenz zuerst wissen, als sie wieder am Schreibtisch im Büro saßen.
»Was meinen Sie?«
»Sie sind derjenige, der als Einziger in der Dunkelheit etwas sehen konnte. Hat sich irgendjemand von seinem Platz erhoben oder sonst etwas Ungewöhnliches gemacht? Sich vielleicht über den Nachbartisch gebeugt?«
»Nein, Commissario, das sage ich immer gleich am Anfang dazu, dass es absolut verboten ist, in der Dunkelheit allein von seinem Platz aufzustehen. Das geht nicht, weil wir nicht wollen, dass jemand stürzt oder sich irgendwo stößt.«
»Also war in der Zeit, in der Sie mit Ihrem Nachtsichtgerät im Raum waren, alles in Ordnung?«
»Si, Signore, alles tutto bene.«
Lenz deutete auf den Sitzplan in seiner Hand. »Können Sie sich an den Mann erinnern, der an diesem Tisch saß? Mit einer viel jüngeren Frau?«
»Natürlich.«
»Und Ihnen ist nichts Ungewöhnliches aufgefallen, woran Sie sich erinnern?«
»No. Die beiden waren am Anfang etwas, wie sagt man, etwas angespannt. Das wurde aber mit der Zeit besser, und am Ende waren die beiden richtig locker. Der Mann hat mir sogar ein ziemlich großes Trinkgeld gegeben. Er war, glaube ich, ein bisschen betrunken.«
»Die Frau nicht?«
»No, sie hatte Getränke ohne Alkohol.«
»Wann haben die beiden das Restaurant verlassen?«
Er überlegte. »Kurz nach Mitternacht. Sie sind ins Auto gestiegen und weggefahren, und es sah alles ganz normal aus. Deswegen fällt es mir so schwer zu glauben, dass der Mann tot sein soll.«
»Glauben Sie mir, er ist es.«
Damit sah Lenz auf die Liste der Teilnehmer des Dinner in the Dark vom Vorabend. Von jedem Einzelnen standen dort Namen, Adresse und Telefonnummer.
»Schön, Herr Petroni«, fuhr Lenz fort. »Hat sich vielleicht bei Ihnen sonst noch einer der Gäste gemeldet und über Magenprobleme oder Ähnliches geklagt?«
»Nein, Commissario. Vertrauen Sie mir, das würde ich Ihnen sagen.«
»Auch bei Ihrem Personal ist alles in Ordnung? Keiner hat sich krank gemeldet?«
»No, alles in Ordnung.«
Der Kommissar dachte kurz darüber nach, sich in der Küche umzusehen, verwarf den Gedanken jedoch so schnell, wie er ihm gekommen war. Wonach sollte er suchen? »Gut, dann waren das meine Fragen bis hierher. Es kann sein, dass ich noch einmal vorbeikomme, wenn mir etwas unklar ist. Oder geben Sie mir doch am besten Ihre Telefonnummer, dann brauche ich nicht persönlich vorbeizukommen.«
Der Italiener griff in die Schublade und reichte ihm eine Karte. Lenz hatte keine dabei, deshalb stand er auf und ging zur Tür. Der Italiener kam um den Schreibtisch herum und streckte die rechte Hand nach vorne.
»Vielleicht können Sie, bis Sie genau wissen, was mit dem armen Mann passiert ist, den Namen unseres Restaurants aus der Sache heraushalten, Herr Kommissar. Sie wissen, wenn der Ruf erst einmal ruiniert ist, gehen die Geschäfte schneller den Bach runter, als man eine gute Pizza gemacht hat.«
»Ich werde sehen, was ich tun kann, Herr Petroni. Und danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben.«
»Kein Problem, das habe ich gerne gemacht.«
*
Lenz legte sich um kurz nach 23 Uhr ins Bett und war eingeschlafen, noch bevor der Kopf das Kissen berührt hatte. Auf
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