Bullenhitze
Tablett in der Hand.
»Alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragte sie flüsternd.
»Na ja, wie man’s nimmt«, erwiderte er, zog sich den Kittel aus und legte ihn auf ein neben ihm stehendes Schränkchen.
»Ich weiß, sie sieht schrecklich aus. Aber sie ist stark, das hilft ihr.«
»Hoffentlich«, flüsterte Lenz, und versuchte sich in einem Lächeln. »Wollen Sie eigentlich gar nicht wissen, wer ich bin?«
»Mein Vater hat mir gesagt, Sie seien der Freund eines Freundes, das reicht mir. Ich persönlich glaube, dass Sie mit ihr was am Start haben, aber das bleibt besser Ihr Geheimnis, was meinen Sie?«
Lenz nickte. »Immerhin setzen Sie bei dieser Aktion Ihren Job aufs Spiel, Frau …?«
»Wolters-Richling. Anne Wolters-Richling. Und das mit meinem Job ist so eine Sache. Hier im Klinikum werden wöchentlich irgendwelche Jobs abgebaut und meiner ist lange nicht mehr so sicher, wie ich es gerne hätte.« Sie überlegte eine Sekunde. »Darum geht es aber in Ihrem Fall gar nicht.« Ihr Blick ging zur Tür, hinter der Maria um ihr Leben kämpfte. »Ihr Mann, der OB, war heute Abend hier, kurz nachdem ich meinen Dienst angefangen hatte. Meinte, er sei was Besonderes und wollte gleich mit dem zuständigen Arzt sprechen, weil er es vorher nicht geschafft hatte, ans Krankenbett seiner echt schwer verletzten Frau zu kommen. Dringende Sache in Berlin oder so. Und weil ich mich über diesen Politfuzzi so furchtbar geärgert hab, konnte ich bei Ihnen gut ja sagen.«
»Vielen Dank dafür.«
»Gern geschehen.« Sie griff in ihre Brusttasche und reichte ihm einen Zettel.
»Das ist die Nummer der Station. Ich habe die nächsten fünf Nächte Dienst. Wenn Sie wollen, und es passt, können Sie gerne wieder vorbeikommen und nach ihr sehen.«
Lenz hätte die junge Frau vor Freude am liebsten umarmt. »Das ist unglaublich lieb von Ihnen, Frau Wolters-Richling. Hoffentlich kann ich das irgendwann wieder gutmachen.«
Wieder warf sie einen Blick auf die Tür.»Ich glaube, dass es ihr hilft, wenn sich jemand um sie kümmert, der sie mag, und den sie vermutlich ebenso mag. Also, ich muss jetzt weiter. Außerdem«, fuhr die junge Frau fort, »wacht nach aller Erfahrung innerhalb der nächsten Viertelstunde meine Kollegin auf.«
Lenz wollte ihr die Hand schütteln, doch sie winkte ab.
»Wegen der Infektionsgefahr«, erklärte sie mit einem müden Lächeln.
»Dann einfach so vielen Dank und auf Wiedersehen.«
»Wiedersehen.«
Damit drehte sie sich um und ging davon. Lenz steuerte auf die große Automatiktür zu, durch die er die Station betreten hatte, doch noch bevor er den Regelkreis des Sensors erreicht hatte, hörte er noch einmal ihre Stimme.
»Pssst«, rief sie.
Der Polizist drehte sich erstaunt um.
»Ich würde mich freuen, wenn Sie mit ihr was am Start hätten«, flüsterte sie recht laut über den Flur.
»So, so«, erwiderte Lenz ebenso flüsternd. »Wieso denn?«
»Erstens würde es meinen durch und durch unsoliden Lebenswandel ein bisschen weniger ruchlos erscheinen lassen, und zweitens sind Sie viel netter als ihr Mann.«
»Danke.«
»Gerne. Bis morgen vielleicht. Und gute Nacht.«
»Gute Nacht«, wollte Lenz ihr noch hinterherrufen, doch da war sie schon in einem der Zimmer verschwunden.
13
Nach einer unruhigen und traumintensiven Nacht wachte der Kommissar um kurz vor 6 Uhr auf, trank einen starken Kaffee, duschte und rasierte sich so gründlich, wie er es seit Tagen nicht mehr getan hatte. Um 7.15 Uhr stieg er in seinen Wagen und fuhr zum Präsidium. Thilo Hain kam gleichzeitig mit ihm auf dem großen Parkplatz an.
»Was ist denn das, großer Buana?«, fragte sein junger Mitarbeiter irritiert, während er sein kleines japanisches Cabriolet abschloss. »Heute nicht mit dem Bus unterwegs?«
»Nein, heute nicht«, erwiderte Lenz.
»Ist das eine Karre von der Car-Sharing-Truppe? Sieht so neu aus, das Ding.«
»Stimmt, der ist nagelneu. Und er gehört nicht der Car-Sharing-Truppe, sondern mir ganz allein.«
Hain blieb stehen. »Du hast dir ein Auto gekauft? Das kannst du deiner Großmutter erzählen.«
»Wird ein ziemlich einseitiges Gespräch; sie ist seit ein paar Jahren tot, wie du weißt.«
»Das gibt’s doch trotzdem nicht«, murmelte Hain, noch immer zweifelnd. »Dann bist du ja jetzt einer dieser ganz smarten Typen, die immer und überall einen Parkplatz finden. Nur auf die Autobahn solltest du dich mit diesem Elefantenrollschuh lieber nicht wagen, das könnte nämlich böse enden«,
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