Bullenhitze
frotzelte der junge Oberkommissar.
»Ich werd’s mir merken«, gab Lenz zurück.
»Hast du gehört, dass die Kasseler First Lady einen ziemlich üblen Unfall hatte?«, wollte Hain wissen, als sie das Gebäude betraten.
»Nein«, log Lenz. »Was ist denn passiert?«
»Sie ist bei Gudensberg von der Autobahn geschubst worden. Es kam gestern Abend in den Nachrichten.«
»Aha«, machte Lenz möglichst unbeteiligt. »Wie geht es ihr?«
Hain blieb kopfschüttelnd vor der Fahrstuhltür stehen und schlug mit der flachen Hand auf den Anforderungsknopf. »Hast du wirklich gestern Abend nicht ferngesehen? Was macht einer wie du denn an einem Sonntagabend, wenn er allein zu Hause rumhängt?«
Lenz band ihm besser nicht auf die Nase, wo er sich am Abend zuvor herumgetrieben hatte, denn so gerne er Thilo Hain auch mochte, in Punkto Diskretion vertraute er ihm nicht für fünf Pfennige. Deshalb hütete er sein kleines Geheimnis mit Maria auch gegenüber seinem Mitarbeiter wie einen Augapfel. »Ich hab gelesen und dabei Musik gehört. Solltest du auch ab und zu machen, ist gut für die Augen. Ich war zudem müde, weil ich mir den halben Sonntag wegen eines mysteriösen Todesfalls um die Ohren geschlagen hab.«
Das machte Hain neugierig. »Was für ein Todesfall?«, wollte er mit großen Augen wissen.
»Kriegst du oben mit, wenn RW und Ludger dabei sind, sonst muss ich alles zwei- oder dreimal erzählen, und dazu habe ich echt keine Lust.«
Es klingelte leise, und die Fahrstuhltüren öffneten sich.
»Wenn ich es richtig verstanden habe, hat sie ein paar ziemlich schwere Treffer abgekriegt«, nahm Hain den Faden wieder auf, während der Fahrstuhl sich in Bewegung setzte. »Vielleicht kommt sie durch, aber das ist alles andere als sicher.«
»Von wem sprichst du jetzt, Thilo?«
»Na, von der Esche von Schoppen-Erich. Von unserer First Lady, Maria Zeislinger.«
Wieder schickte Lenz nur ein leises ›Aha‹ zurück. »Ich muss noch kurz bei Uwe vorbei«, erklärte er Hain. »Trommel doch schon mal die Jungs zusammen, wir sehen uns in zehn Minuten in meinem Büro.«
»Mach ich, bis gleich.«
*
»Und, hat alles geklappt?«, wurde er von Uwe Wagner in dessen Büro empfangen. »Bist du bei ihr gewesen?«
Lenz nickte. »Danke, alles gut. Obwohl sie wirklich nicht gut aussieht.«
»Hast du Zeit für einen Kaffee?«, fragte der Pressesprecher.
Wieder nickte Lenz.
Wagner sprang auf, befüllte einen Becher mit dem frisch aufgebrühten Getränk und reichte ihn seinem Freund. »Die kleine Wolters ist eine Kanone, oder?«
»Wohl wahr«, stimmte Lenz ihm zu. »Und sie mag mich lieber als Schoppen-Erich, sagt sie.«
Wagner sah ihn mit großen Augen an. »Hast du ihr gesagt, wer du bist? Und vielleicht auch noch, was dich mit der Frau des OBs verbindet?«
»Quatsch. Aber das Mädel ist aufgeweckt, dem muss man gar nichts erzählen. Die peilt das alles schon von ganz allein. Außerdem, sagt sie, wäre es ihr recht, wenn ich was mit Maria ›am Start hätte‹, weil das ihren durch und durch unmoralischen Lebenswandel ein bisschen weniger anrüchig erscheinen ließe.«
»Grundgütiger, die hat erst letztes Jahr geheiratet. Was mag der arme Kerl durchmachen, der sie abgekriegt hat?«
»Wenn ich sie richtig einschätze, weiß er nichts davon. Also ist niemandem geschadet.«
»Das würde ich an deiner Stelle auch so sehen. Meine Perspektive, also die des hoffentlich nicht beschissenen Ehemannes, ist eine andere, wie du dir bestimmt denken kannst.«
Lenz zuckte mit den Schultern. »Ist mir egal, wie du dir auch bestimmt denken kannst. Mir ist zur Zeit nur wichtig, dass Maria wieder auf die Beine kommt.«
»Dafür drücke ich dir alle Daumen. Und wenn es soweit ist, soll sie ihrem unfreundlichen Mann den Laufpass geben. Richte ihr das von mir aus.«
»Zunächst hab ich Tag und Nacht verdammt Schiss, dass sie sterben könnte. Aber ich weiß, dass mir die Hände gebunden sind. Trotzdem werde ich sie heute Nacht wieder besuchen.«
»Klappt das so einfach?«
»Ja. Anne Wolters-Richling hat noch ein paar Tage Nachtwache und mir erklärt, wie es am besten funktioniert.«
»Dann lass dich nicht erwischen.« Er nahm einen Schluck Kaffee. »Hast du schon was in der Sache Wohlrabe gehört? Peters, der Schmierfink unserer Lokalzeitung, hat nämlich in der Sache auf meinem Anrufbeantworter um Rückruf nachgesucht.«
»Wie es aussieht, wurde er tatsächlich vergiftet, aber viel mehr kann ich dir noch nicht sagen. Ich treffe mich
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