Bullenhitze
Commissario.«
»Das wollte ich damit auch nicht sagen. Aber ich muss alles untersuchen, was mit diesem Fall zusammenhängt, und das ist nun mal auch das Essen in Ihrem Restaurant.«
»Si, si, capisce«, gab der Italiener verstört zurück, stand auf, und ging zur Tür. »Momento, Signore.«
Während er wartete, dachte Lenz über die Situation nach, in der Petroni sich befand. Sollte es sich herausstellen, dass Wohlrabe während des Dinner in the Dark vergiftet worden war, konnte sich das zu einem großen Problem für das Restaurant auswachsen. Nicht unbedingt juristisch, eher in Bezug auf das Vertrauen, das die potenziellen Gäste der Mahlzeit in der Finsternis entgegenbrachten.
Ein paar Minuten später wurde die Tür geöffnet und Petroni kam zurück ins Büro.
»Hier ist fast alles, was Sie wollten. Wenn Sie mich kurz in das Nebenzimmer begleiten, in dem das Dinner in the Dark stattfindet, kann ich Ihnen eine kleine Skizze machen, wer wo gesessen hat.«
»Gerne«, erwiderte Lenz, und folgte dem Geschäftsführer in einen Raum, dessen Fenster mit schwarzer Folie abgeklebt waren, und dessen Einrichtung eher an den Saal einer Dorfkneipe auf dem Land vor 50 Jahren erinnerte. Es gab sechs größere und drei kleinere Tische, und in einer Ecke standen ein Staubsauger und ein paar weitere Reinigungsgeräte. Der Italiener bemerkte den erstaunten Blick des Kommissars.
»Hier ist es normalerweise ganz dunkel, Commissario«, meinte er, während er mit einem Kuli ein paar Quadrate auf ein Blatt Papier malte. »Niemand kann erkennen, wie es hier aussieht. Wir nehmen uns immer wieder vor, zu renovieren und eine neue Bestuhlung zu kaufen, aber irgendwas kommt ständig dazwischen. Bis auf ganz wenige Ausnahmen führen wir die Gäste im Dunkeln herein und im Dunkeln wieder hinaus. Also ist das auch nicht wichtig.«
»Wie war das gestern? Haben die Gäste den Raum gesehen?«
Petroni überlegte. »Si, gestern Abend wünschten die Gäste, dass ich das Licht anmache.« Er deutete auf die Reinigungsgeräte. »Aber da standen der Staubsauger und das andere Zeug nicht in der Ecke.«
»Wenn es hier drin so dunkel ist, wie Sie sagen, woher wissen Sie dann, wo Sie die Teller und die Gläser hinstellen müssen?«
»Ich habe die Augen einer Eule«, erwiderte der Italiener mit einem Anflug von Humor, wurde jedoch sofort wieder ernst. »No, so ist es leider nicht, Commissario. Ich benutze ein Nachtsichtgerät, damit ich sehe, wo ich hinmuss.«
»Ein Nachtsichtgerät? Das ist ja interessant. Kann ich mir das mal anschauen?«
»Si, ich hole es. Momento, per favore.«
Keine 10 Sekunden später kam Petroni mit einem Gerät zurück, das wie ein aufgeblasenes Fernglas aussah.
»Hier, das ist es. Den Gurt, mit dem es am Kopf befestigt wird, habe ich jetzt nicht mitgebracht, aber wenn Sie ihn brauchen, hole ich ihn gerne.«
»Nein, nein«, wehrte Lenz ab, »den benötigen wir nicht. Ich will nur mal durchschauen, was man alles damit sieht, wenn es komplett dunkel ist.«
»Si, ich schalte es ein. Aber vorher machen wir besser das Licht aus, sonst dauert es zu lange, bis wir es benutzen können.«
Damit ging er zur Tür, drückte sie ins Schloss, knipste das Licht aus und schaltete das Nachtsichtgerät ein. Sofort blinkte kaum sichtbar eine winzige, rote LED, die ein paar Sekunden später die Farbe wechselte und nun grün schimmerte.
»Jetzt ist es an. Bitte, halten Sie es sich vor die Augen.«
Lenz tastete in der Dunkelheit nach dem matten grünen Licht, landete aus Versehen an der Hand des Italieners und bekam gleich darauf das Gerät zu fassen. Mit beiden Händen führte er es an seinen Kopf und sah hindurch. Durch einen hellen Grünschimmer konnte er plötzlich die Tische sehen, die Stühle, die darum gruppiert waren, und die ausgeschalteten Lampen, die noch immer wesentlich heller erschienen als die Umgebung. Dann hob er den Kopf und erschrak, weil er mitten in Petronis angespannt wirkendes Gesicht schaute. Sofort drehte er den Kopf und sah in eine andere Richtung, als ihm klar wurde, dass der Mann ihn im Gegenzug ja überhaupt nicht sehen konnte. Also drehte er sich wieder, ging tastend ein paar Zentimeter zurück und erkannte wieder das Konterfei des Italieners, der an ihm vorbei Richtung Wand starrte. Die Hände hielt er wie ein Kleriker vor dem Bauch verschränkt.
»Alles in Ordnung, Commissario? Funktioniert es?«
Lenz blickte ihm lange ins Gesicht, bevor er antwortete. »Ja, natürlich. Einen kleinen Moment noch, ich will
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