Bullenhitze
vor Zorn, und schlug dem Krematoriumsmitarbeiter mit der flachen Hand gegen den Kopf. Bollinger flog nach vorne und knallte mit der Stirn gegen die Knochenmühle.
»Was ist denn hier los?«, hörte er die Stimme seines Kollegen Roland Langer, bevor er zu Boden stürzte.
*
»Was fällt Ihnen ein, den armen Schrick zu schlagen?«
Jürgen Bollinger sah seinen Chef entsetzt an, dem er etwa 15 Minuten später in dessen Büro gegenübersaß. »Ich hab den Arsch nicht geschlagen, Boss. Ehrlich nicht.«
Werner Debus, der Leiter der Friedhofsverwaltung, ging nicht darauf ein.
»Der Kollege Langer hat es gesehen und kann es bezeugen, Herr Bollinger. Sie sollten sich auf der Stelle bei Herrn Schrick entschuldigen, vielleicht können wir die Situation dadurch doch noch retten. Er sitzt draußen und kühlt sich sein rot angelaufenes Gesicht.«
Bollinger schüttelte entgeistert den Kopf, wobei sich der dilettantisch angebrachte Verband um seine Stirn bedenklich hin und her bewegte. »Was erzählt dieser Langer, dieser Spinner? Hat der sie nicht mehr alle? Ich stand vor der Knochenmühle und hab an nichts Böses gedacht, als der Kerl mich wegen einer Aussage während der Führung gestern Nachmittag anbrüllt. Ich erkläre ihm, dass ich nichts Schlimmes getan, sondern nur die Wahrheit gesagt habe und will weiterarbeiten, als er mir an die Birne haut.« Er deutete auf seinen verbundenen Kopf. »Dabei bin ich mit der Rübe gegen die Mühle geknallt und auf dem Boden gelandet. Und jetzt soll ich ihm eine gehauen haben? Das ist doch wohl nicht wahr?«
»Aber der Kollege Langer …«
»Der Kollege Langer«, wurde er von Bollinger schroff unterbrochen, »der Kollege Langer steckt so tief im Hintern der Bestatter, dass er seine Umwelt gar nicht mehr wahrnimmt. Der würde jeden Meineid schwören, um sich sein Ansehen bei denen zu erhalten. Und die Trinkgelder, wenn er ihnen ihre Wünsche mal wieder von den Augen abliest.«
»Nun machen Sie mal halblang, Herr Bollinger. Der Kollege Langer ist ein guter und durch und durch geschätzter Mitarbeiter, der sich noch nie etwas zuschulden kommen lassen hat. Was man von Ihnen bei Gott nicht behaupten kann. Also, was ist mit einer Entschuldigung?«
Bollinger überlegte kurz. Wenn Langer, dieser kleine Arschkriecher, tatsächlich bestätigen würde, dass er Schrick geschlagen hätte, konnte die Geschichte übel ausgehen. »Aber Boss, es ist wirklich nicht …«, machte er einen weiteren Versuch, wurde jedoch diesmal von Debus unterbrochen.
»Keine Chance, Herr Bollinger, selbst wenn Sie noch so sehr an mich heranreden. Diesmal sind Sie zu weit gegangen. Sie wissen selbst, dass ich Sie auf der Stelle rauswerfen müsste, wenn ich mich an die Statuten halten würde, was ich eigentlich tun sollte und müsste. Also, entschuldigen Sie sich bei dem Mann.«
Jürgen Bollinger stand auf, trat vor seinen Chef, und beugte sich über den Schreibtisch zu ihm hinunter. »Ich weiß nicht, ob Sie selbst glauben, was hier gerade abgeht, aber ich will es nicht glauben, und ich werde es nicht hinnehmen. Ich gehe jetzt da raus, schreite ganz gemütlich an dem netten Herrn Schrick vorbei und nehme meine Arbeit wieder auf. Aber nur, wenn Sie mir glauben. Wenn nicht, fahre ich auf der Stelle ins Krankenhaus und lasse mich untersuchen. Danach zeige ich diesen Blödmann bei der Polizei wegen Körperverletzung an. Und ich bin sicher, dass sich auf diese Geschichte nicht nur die örtliche Presse stürzen wird.«
Debus’ Gesicht verfinsterte sich schlagartig.
»Wollen Sie mir drohen, Bollinger?«
»Ich will gar nichts, Herr Debus. Ich will nur nicht von diesen beiden Rotzlöffeln eingetütet werden.«
Nun stand der Friedhofsverwaltungsleiter auf und kam um den Schreibtisch herum. »Seien Sie doch kein Dummkopf, Herr Bollinger. Und denken Sie bei allem, was Sie tun, auch an das große Ganze, denken Sie auch bitte an Ihre Kollegen. Wir sind auf die Bestatter angewiesen, ach was, eigentlich sind wir ihnen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, das muss ich doch gerade Ihnen nicht erzählen. Wenn die uns in Zukunft nicht mehr beliefern, sind wir geliefert.«
Er atmete tief durch.
»Sie haben keine Chance, und nun springen Sie über Ihren Schatten und halten Schrick die Hand hin. Entschuldigen Sie sich bei ihm, den Rest regle ich.«
Wieder dachte Bollinger nach und wog die Argumente gegeneinander ab. Natürlich hatte sein Boss recht; das Krematorium war auf die Bestatter angewiesen. Aber das durfte doch
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