Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bullenhitze

Bullenhitze

Titel: Bullenhitze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P. Gibert
Vom Netzwerk:
nicht vorstellen, weil jeder der Beteiligten damit beschäftigt war, seinen eigenen Teller zu finden und zu leeren.« Wieder warf sie den Kopf ins Genick, als ob sie nachdenken würde. »Warten Sie, etwas war doch ungewöhnlich. Der Mann am Nachbartisch hat sich einmal zu uns herüber gebeugt. Ich hätte es gar nicht bemerkt, aber er hat meinen Mann dabei angestoßen, deshalb ist es ihm aufgefallen.«
    »Aha«, machte der Hauptkommissar.
    »Wie weit standen die Tische denn auseinander?«, mischte Hain sich wieder ein.
    »Etwa eine Handbreit, vielleicht etwas mehr, aber daran kann ich mich nicht mehr so genau erinnern. Der Raum, in dem die Veranstaltung stattfindet, ist nicht sehr groß, deshalb ist zwischen den einzelnen Tischen nicht viel Platz. Ich vermute sogar, dass die beiden Tische im Normalfall zusammenstehen.«
    Der Oberkommissar  machte sich ein paar Notizen. »Und der Mann hat sich zu Ihrem Tisch herübergebeugt. Hat er dabei etwas Ungewöhnliches gemacht?«
    »Das weiß ich natürlich nicht, weil ich es nicht gesehen habe. Ich habe von der ganzen Aktion erst etwas mitbekommen, als mein Mann zu ihm sagte, dass er ihm nichts abgeben würde, und wenn er noch so dicht auf seine Pelle rücken würde. Das war natürlich scherzhaft gemeint.«
    »Natürlich«, bestätigte Hain und kritzelte wieder etwas in seinen Block.
    »Wie war denn insgesamt die Stimmung während des Dinners?«
    »Zuerst etwas verhalten, weil man sich ja nicht gekannt hat. Aber mit jeder Minute wurden die Teilnehmer lockerer und haben sich dann ganz angeregt miteinander unterhalten.«
    »Worum ging es dabei?«
    »Na ja, wo kommen Sie her, warum sind Sie hier gelandet, solche Sachen halt. Nur das Ehepaar, das neben uns saß, also das, wo der Mann sich herübergebeugt hat, war nicht sehr gesprächig. Besonders sie war extrem wortkarg.«
    »Er hat aber gesprochen? Können Sie sich erinnern, was er gesagt hat, oder wo er herkam?«
    »Nein, da kann ich Ihnen nicht helfen.«
    »Das macht nichts«, erklärte Lenz. »Wie war das denn mit den Bedienungen?«, fuhr er fort. »Wie haben die sich denn orientiert, in totaler Finsternis?«
    »Es war nur ein Kellner, Luca. Der hat so ein Gerät auf dem Kopf gehabt, mit dem er auch in dieser Dunkelheit etwas sehen konnte. Fragen Sie mich aber bitte nicht, wie das funktioniert.«
    »Und an dem ist Ihnen nichts Besonderes aufgefallen?«
    »Doch, aber das wird Ihnen vermutlich nicht weiterhelfen. Der Mann war ausgesucht höflich, zuvorkommend und professionell. So etwas findet man heute nicht so häufig in der Gastronomie.«
    »Aha«, machte Lenz wieder.
    »Ja, mein Mann hat ihm deshalb auch ein schönes Trinkgeld gegeben.«
    »Was heißt das?«
    »20 Euro.«
    Lenz pfiff leise durch die Zähne. »Das ist wirklich ein ordentliches Trinkgeld. Und nach dem Essen sind Sie beide gleich nach Hause gefahren? Oder waren Sie noch irgendwo anders?«
    »Nein, wir sind gleich hierher gefahren.«
    »Sind Sie gefahren oder Ihr Mann?«, wollte Hain wissen.
    »Ich. Mein Mann hatte etwas getrunken. Ausnahmsweise.«
    Es entstand eine Pause, während der Lenz seinen Kollegen kurz ansah. Der zuckte mit den Schultern.
    »Gut«, meinte der Hauptkommissar dann. »Das wäre es fürs Erste. Wenn wir weitere Fragen …«
    »Eine Frage hätte ich doch noch«, fiel Hain ihm ins Wort. »Vermutlich sind Sie, Frau Wohlrabe, die Alleinerbin Ihres Mannes, oder?«
    »Selbstverständlich, ja.«
    »Sie haben also keine Kinder?«
    »Nein, wir haben uns gegen ein Leben mit Kindern entschieden. Mein Mann sagte dazu gerne, dass er nicht im Rollstuhl zur Abiturfeier seiner Kinder geschoben werden wollte.«
    »Wie lange waren Sie und Ihr Mann verheiratet?«
    »Ein Jahr und vier Monate.«
    »War Ihr Mann früher schon einmal verheiratet?«
    »Ja, das war er.«
    »Ebenfalls kinderlos?«
    »Ja.«
    »Lebt seine erste Frau noch?«
    »Ja, sie lebt noch. Sehr gut sogar.«
    Wieder machte sich der Oberkommissar ein paar Notizen. »Haben Sie ihre Adresse?«
    »Die Dame wohnt im Nachbarhaus. Sie treten einfach auf die Straße, gehen nach links, und klingeln im nächsten Haus. Selbst der Name stimmt überein.«
     
    *
     
    »Wie findest du die trauernde Witwe?«, fragte Lenz seinen Kollegen, als sie wieder auf der Straße standen.
    »Geiles Fahrwerk, würde ich sagen.«
    Lenz hatte einen bösen Spruch auf den Lippen, schob ihn jedoch zurück in den Hals. »Und als Polizist, ohne das ganze Testosteron in den Augen?«
    »Sie ist die Witwe mit Motiv, soviel ist klar.

Weitere Kostenlose Bücher