Bullenhitze
haben.«
»Wo liegt denn Werl?«, fragte Lenz und erntete dafür die nächsten strafenden Blicke, diesmal von beiden Kollegen.
»Werl liegt in Westfalen, an der A 44, kurz vor Dortmund, aber das spielt keine Rolle. Viel wichtiger ist, dass diese Frau Hödecke sich zuerst gar nicht daran erinnern konnte oder wollte, dass sie den Abend in Kassel verbracht hat, nachdem ich ihr erklärt habe, dass sich die Polizei für dieses Dinner interessiert.«
»Ach«, warf Lenz ein. »Das ist ja interessant.«
»Es kommt noch besser. Danach hat sie sich plötzlich doch daran erinnert und behauptet, allein dort gewesen zu sein. Irgendwann ist mir die Sache zu blöd geworden und ich hab ihr eröffnet, dass ich sie auch vorladen lassen kann. Darauf hat sie erstaunlicherweise ganz cool reagiert und mir erklärt, dass sie keiner Einladung Folge leisten würde, die von einem Polizeirevier kommt. Da müsste ich mich schon um eine staatsanwaltliche oder eine richterliche Vorladung bemühen, hat sie mich belehrt. Offenbar kennt sie sich, was das angeht, ganz gut aus, was mich, nachdem ich das Gespräch ohne greifbares Ergebnis beendet hatte, neugierig gemacht hat. Und siehe da, die Dame ist Juristin mit eigener Kanzlei, die sie mit ein paar Kollegen in Dortmund betreibt; unter anderem auch mit einem gewissen Helge Hödecke.«
»Hast du sie in der Kanzlei oder zu Hause erwischt?«, fragte Hain nach.
»Zu Hause, du Klugscheißer. Sonst hätte ich bestimmt nicht recherchieren müssen, dass sie Anwältin ist. Aber weil ich auch nicht völlig auf den Kopf gefallen bin, hab ich gleich in Dortmund in der Kanzlei angerufen und wollte mit Herrn Dr. Hödecke sprechen, um ihn zu fragen, ob er der Bruder oder der Ehemann ist.«
Er sah in die Runde, als erwarte er ein besonderes Lob.
»RW …!«, zischte Lenz.
»Gut, gut. Herr Dr. Helge Hödecke ist der Ehemann von Beate Hödecke und gestern Morgen um 5.45 Uhr nach Manila abgeflogen, wo er sich angeblich mit einem Mandanten treffen will.«
Für ein paar Sekunden war Stille im Raum. Hain fand als Erster wieder zu Worten. »Das könnte alles ein ganz irrer Zufall sein.«
»Verbunden mit temporärer Amnesie bei Frau Hödecke, die für mich ab sofort zu den Verdächtigen zählt?«, ätzte Lenz.
»Was willst du ihr denn vorwerfen?«, erkundigte Hain sich vorsichtig. Sein Chef dachte ein paar Sekunden nach.
»Das überlege ich mir noch. Ich will mit der Frau reden, möglichst schnell. Können wir das organisieren? Aber vorher müssen wir mit den Hinterbliebenen von diesem Kronberger sprechen.«
20
Klaus Patzner zuckte zusammen, als sein Telefon klingelte, obwohl niemand in der Nähe war. Noch immer stand er frierend an der gleichen Stelle wie zwei Stunden zuvor, beobachtete das Treiben um den Mercedes des toten Werner Kronberger, und machte sich ernsthafte Sorgen um seine Zukunft.
Kronberger war tot, daran bestand kein Zweifel. Und der Bauunternehmer war derjenige, auf den Patzner alle Chips gesetzt hatte. Rien ne va plus, Monsieur Patzner. Mit Kronberger im Rücken hätte er den Sturz von Himmelmann unbeschadet überstehen und bei den folgenden Wahlen reüssieren können. Das war nun alles fraglich geworden. Überaus fraglich.
Er sah auf das Display des kleinen, trendigen Mobiltelefons. Der Anruf kam von Himmelmann. Leck mich, du undankbarer Arsch, dachte er, und steckte das Gerät zurück in die Jackentasche. Dann gab er sich einen Ruck und ging zurück zu seinem Wagen, stieg ein, startete den Motor, drehte die Heizung auf und fuhr davon. Kurz darauf meldete sich sein Telefon erneut. Da er sich sicher war, dass es wieder sein Chef war, ließ ihn das Klingeln völlig kalt.
Wenn es schlecht laufen würde, war er in zwei oder drei Stunden als Referent des Hofgeismarer Bürgermeisters Geschichte. Er wusste, dass Himmelmann ihn ohne jegliche Skrupel über die Klinge springen lassen würde, wenn er sich einen Vorteil davon versprach. Und es gab einen weiteren Aspekt, der Patzner ängstigte. Wenn Himmelmann ihn entlassen würde, wäre er ein idealer Sündenbock für alles, was im Laufe seiner Amtszeit passiert war, Krematoriumsdesaster inklusive. Das würde Patzner um jeden Preis verhindern müssen, wenn er in seinem Leben noch irgendwo auf der Welt einen Fuß auf den Boden bekommen wollte. Aber mit Himmelmann konnte er im Moment nicht reden, auch das war ihm nach dem Desaster mit dem aufgeflogenen Treffen klar. Er hätte sich am liebsten in den Arsch gebissen, dass er Peters auch
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