Bullenhitze
unterbrochen.
»Das kannst du vernachlässigen, da waren Thilo und ich schon dran.«
»Gut. Interessanter ist sowieso die finanzielle Situation Wohlrabes. Oder besser, die aktuelle Situation.« Er warf einen Blick auf das Blatt in seiner Hand. »Nach Auskunft der Creditrecours ist bis vor ungefähr zwei Jahren alles in bester Ordnung gewesen. Solide Konten, solide Eigenkapitaldecke, solides Wirtschaften. Dann, vor etwa eineinhalb Jahren, hat er einen ersten größeren Kredit aufgenommen, für den aber noch immer alles im grünen Bereich gewesen ist. Richtig interessant wird der Deckel, den er vor zwei Monaten gemacht hat. Ich habe mit einem Freund darüber gesprochen, der bei einer Bank für das Firmenkreditgeschäft zuständig ist, und der meint, dass er dafür vermutlich Haus und Hof verpfänden musste, gerade in der heutigen Zeit, wo es ungemein schwer ist, den Banken Kohle aus den Rippen zu leiern.«
»Weißt du, wofür er das Geld gebraucht hat?«
»Nein, das war nicht in Erfahrung zu bringen. Viel kurioser ist jedoch die Tatsache, dass er den Kredit zwar erhalten, das Geld aber noch nicht abgerufen hat. Das heißt, er zahlt momentan Zinsen für einen Kredit, den er erst noch in Anspruch nehmen will. Oder besser wollte, weil da, wo er jetzt ist, kommt er gut ohne Bargeld aus.«
Lenz überlegte einen Moment. »Das deckt sich so ziemlich mit dem, was wir herausgefunden haben.«
Damit gab er dem jungen Kollegen einen Abriss der Gespräche vom Vormittag.
»Die erste Kohleladung für die Exfrau, die zweite für das geplante Krematorium, an dem er sich beteiligen wollte«, fasste er zusammen. »Das könnte passen.«
»Aber warum beschafft er sich die Kohle, bevor definitiv klar ist, dass das Krematorium gebaut wird?«, warf Hain in den Raum.
»Gute Frage«, lobte Lenz. »Ideen dazu?«
»Vielleicht hat er sich gedacht, dass die Zeiten für Kredite nur schlechter werden können«, vermutete Gecks.
»Oder er wollte für den Fall gewappnet sein, dass es schnell gehen musste«, gab Ponelies zu bedenken.
»Alles ganz logisch«, stellte Lenz fest, »aber so ein Projekt wie das größte Krematorium der Republik hat doch nicht solch eine Eilmaßnahme nötig.«
»Wir sollten uns nicht so intensiv mit dieser Frage beschäftigen«, warf Gecks ein, »weil sie am Ende mit der Sache gar nichts zu tun haben könnte. Vielleicht hat er es gemacht, weil ihm irgendjemand gesteckt hat, dass die Zinsen wieder steigen, was weiß ich. Aber allzu wichtig sollten wir es trotzdem nicht nehmen.«
Lenz nickte zustimmend. »Gut. Dann werden wir jetzt versuchen, die Schnittstellen zwischen Wohlrabe und diesem Kronberger zu finden. Natürlich ist da die erste Wahl das angedachte Krematorium, aber wir müssen trotzdem in alle Ecken und Winkel schauen. Rüdiger und RW, ihr beide geht da gemeinsam dran. Thilo und ich fahren zu Kronberger nach Hause und sehen, was wir dort herausfinden können.«
*
Die Privatadresse von Werner Kronberger war die gleiche wie die Firmenadresse. Hain steuerte den Dienstwagen durch ein großes Tor, über dem auf einer riesigen Werbetafel das Firmenschild zu sehen war:
Hier residiert und arbeitet die Kronberger-Bau-GmbH
, wurde der eventuell unwissende Besucher informiert. Hinter dem großen, staubigen Hof, auf dem etwa 40 Lastwagen, die meisten davon Kipper, standen, schloss sich ein eher mickriges, ungepflegt wirkendes Bürogebäude an, dem eine ebenso heruntergewirtschaftete Lagerhalle folgte. Links daneben, etwa 20 Meter nach hinten versetzt, gab es noch einen Bungalow, der durch ein paar Büsche mehr schlecht als recht vom übrigen Gelände abgegrenzt war.
Vor der Lagerhalle hatte sich in der Dämmerung eine Ansammlung von ungefähr 60 oder auch 70 Männern in Bauarbeitermontur eingefunden, die von ein paar Halogenstrahlern beleuchtet wurden und zu einem etwa 35-jährigen Mann blickten, der auf einer Rampe über ihnen stand. Während die beiden Polizisten ausstiegen, hob der Mann ein Megafon und richtete es auf die Menge.
»Männer, … es ist etwas … Furchtbares passiert«, begann er pathetisch und mit leiser Stimme. »Mein Vater …, euer Chef …, und der Mann meiner leider ebenfalls viel zu früh verstorbenen Mutter, … ist heute Mittag tot in seinem Wagen aufgefunden worden.«
Ein Raunen ging durch die Menge.
»Wie es dazu gekommen ist, weiß ich noch nicht, aber ich bin davon überzeugt, dass sich das klären wird. Bei all dem Schmerz, den diese Nachricht in mir auslöst, ist es
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