Bullenhitze
Oberkommissar.
»Und Sie wissen auch«, mischte Lenz sich ein, »wer das Krematorium bauen möchte?«
Abel kratzte sich am Kinn. »Na ja, das wiederum ist nicht so einfach. Es gibt da zwei Parteien, die sich das Ding gerne unter den Nagel reißen würden. Die eine besteht aus einem Belgier, Roger van Dunckeren, dem Chef von Eurokrem. Die haben insgesamt über 40 Krematorien laufen, in ganz Europa. Der würde den Bau mit seinen Firmen hochziehen und das Ding betreiben, aber mit ganz wenigen Mitarbeitern aus der Gegend. Er arbeitet lieber mit seinen eigenen Leuten, wie man hört.«
»Und die andere Partei?«
»Die ist ins Spiel gekommen, als der Belgier vor einem halben Jahr den Schwanz eingezogen hat. Ein Unternehmer aus Mallorca, dessen Namen habe ich aber vergessen. Mit Namen hab ich es im Übrigen nie so gehabt, wissen Sie.«
»Ja, schon gut«, beruhigte Hain den Mann. »Das finden wir alles heraus.«
»Also«, fuhr Abel fort, »nachdem es innerhalb der Hofgeismarer Bevölkerung einen Riesenaufschrei gegeben hat wegen dem Belgier und dessen Methoden, ist der, wie gesagt, abgehauen.« Er griff nach einer Getränkedose auf dem Schreibtisch und nahm einen Schluck. »Daraufhin ist dieser Typ aus Mallorca aufgetaucht. Der wollte alles mit regionalen Firmen machen, aber die Gemeinde sollte mit ins Boot steigen, was die nicht wollten. Oder besser gesagt, nicht konnten.« Er rieb Daumen und Zeigefinger der rechten Hand aneinander. »Wegen kein Geld und so. Und immer hat man gemunkelt, dass der Belgier im Hintergrund weiter an der Sache arbeiten würde, weil das ganze Projekt für ihn viel zu interessant wäre, um es sang- und klanglos zu beerdigen.«
»Schöne Metapher«, bestätigte Hain.
»Ja, und gestern morgen kam dann auch die Auflösung des Rätsels«, erklärte der Friedhofsmann, stand auf, langte in einen Stapel alter Zeitungen und warf eine davon auf den Tisch. »Hier. Erkennen Sie die Figuren?«, fragte er rhetorisch in die Runde, ohne auf eine Antwort zu warten, und deutete auf eins der Bilder. »Das ist Anselm Himmelmann, den Sie hier sehen, der Bürgermeister von Hofgeismar. Der zweite Mann ist dieser Belgier, Roger van Dunckeren. Angeblich sind die Fotos am Sonntagnachmittag aufgenommen worden, in und vor einem Hotel hier in Kassel.«
Lenz griff sich die Zeitung und warf einen Blick auf den Artikel. Peters, du Ratte, dachte er, nachdem er das Kürzel darunter gelesen hatte.
»Heute ist übrigens auch wieder was drin«, fuhr Abel fort, »diesmal geht es um Aussagen, die der Himmelmann vor ein paar Monaten über den Belgier gemacht haben soll. Wenn Sie mich fragen, schießt sich da einer auf den Himmelmann ein.«
»Und warum sollte das passieren?«
»Na ja, überlegen Sie doch mal. Himmelmann ist ein erklärter Unterstützer von van Dunckeren. Die andere Fraktion bekennt sich klar zu diesem …« Er griff sich an den Kopf. »… zu diesem Altenburg, das ist sein Name. Und vielleicht steckt ja der Gedanke dahinter, dass mit Himmelmann auch der Belgier weg vom Fenster wäre.«
»Plant dieser Altenburg den Bau allein, oder hat er vielleicht irgendwelche Mitstreiter hier aus der Gegend?«
Wieder kratzte sich Abel am Kinn, bevor er antwortete. »Das ist wieder eine komische Sache. Eine Zeit lang hat man gemunkelt, dass Wohlrabe einer seiner Partner sei. Dann hieß es wieder, dieser Altenburg sei nur Wohlrabes Strohmann, eigentlich wolle der Bestatter das Krematorium allein betreiben. Dagegen spricht allerdings nach meiner unmaßgeblichen Meinung, dass er nicht den Hauch einer Ahnung davon hat, wie ein Krematorium tatsächlich funktioniert. Und dabei meine ich jetzt nicht die Technik.«
Hain blätterte seinen Notizblock eine Seite weiter, hob den Kopf und sah Abel an. »Wie kommt es, dass Sie sich so gut auskennen in der Materie, Herr Abel?«
»Das ist eigentlich ganz einfach zu erklären. Zum einen stamme ich aus Hofgeismar. Ich wohne zwar schon seit mehr als 20 Jahren in Kassel, hab da drüben aber noch jede Menge Verwandtschaft sitzen. Meine Frau übrigens auch. Außerdem bin ich einer derjenigen, die von dem Ding direkt betroffen wären. Was glauben Sie denn, was hier passiert, wenn die eröffnen, mit vier Öfen, oder gar noch mehr, wie man sich hinter vorgehaltener Hand zuraunt?«
»Das wäre sicher nicht gut für das Kasseler Krematorium«, antwortete Hain.
»Genau. Deshalb beteiligt sich auch unser Betreiber, die Evangelische Kirche, ganz ordentlich an der Verhinderung. Dafür hab ich
Weitere Kostenlose Bücher