Bullenhitze
allerdings volles Verständnis. Ich würde auch nicht wollen, dass mir einer mit so vollem Mund in die Suppe spuckt.«
»Ich muss nochmal zurückkommen zu den Gerüchten, dass Herr Wohlrabe hinter dem Engagement von diesem Herrn Altenburg … gestanden habe, muss man ja nach seinem Tod jetzt sagen. Warum ist der denn, wenn es denn stimmen sollte, nicht direkt als Betreiber aufgetreten?«
»Das hätte ein Erdbeben gegeben in der Bestatterbranche. Wohlrabe hätte allein über den Preis den Markt diktieren können, bei der angestrebten Kapazität. Die anderen Bestatter wären ihm auf Gedeih und Verderb ausgeliefert gewesen.«
Wieder kratzte er sich am Kinn.
»Ich versuche Ihnen das mal anhand von ein paar einfachen Zahlen zu erklären: Also, heute ist es so, dass eine Kremierung um die 300 Euro kostet. Das ist allerdings der reine Preis fürs Verbrennen, da kommen noch jede Menge Zusatzkosten dazu. Und natürlich die Extras, die einem der Bestatter aufschwatzt, damit auch ja sein Profit stimmt. Alles zusammen kommen Sie ganz bestimmt nicht unter 1.500 Euro weg, und dann haben Sie eine echte Basisbestattung.«
Er nahm einen weiteren Schluck aus der Getränkedose.
»Wenn ich Ihnen jetzt weiterhin erkläre, dass ein Bestatter hier aus der Nähe mit seinen Leichen nach Venlo fährt, das ist direkt hinter der holländischen Grenze, und die Bestattung dort inklusive anonymem Urnengrab nicht mehr als 700 Euro kostet, alles zusammen, wohlgemerkt, dann wird einem bestimmt einiges klarer. Natürlich kommt dabei erschwerend hinzu, dass die Holländer keine Friedhofspflicht kennen, was nichts anderes heißt, als dass die Urne praktisch auf jedem Acker verscharrt werden darf, plastisch ausgedrückt.«
»Da haben Sie recht, das ist ein gewaltiger Unterschied«, stimmte Lenz zu.
Abel hatte sich nun warm geredet.
»Und ich sage Ihnen, dass ich die Leute verstehen kann, die sich für die holländische Variante entscheiden, meine Herren. Weil das, was sich die Bestatter hier manchmal erlauben, einfach nur dreist ist. Frech und dreist kriegen die Leute das Geld aus der Tasche gezogen, weil es doch bei der Beerdigung an nichts fehlen soll, oder?«
»Na ja«, merkte Hain an, »man kann sich halt nur die Beisetzung leisten, für die man das Geld hat, oder?«
»Da muss ich Sie leider korrigieren, Herr Kommissar. Mittlerweile arbeiten viele Bestatter mit Banken zusammen, damit die Hinterbliebenen die Feier abstottern können.«
»Unglaublich«, wunderte sich Lenz.
»Ja, das ist es wirklich. Was aber vielleicht für Sie noch interessant sein könnte, ist die Tatsache, dass angeblich ein anderer Bestatter, nämlich das Institut Schrick, der zweitgrößte hinter Wohlrabe, auch in der Sache drinhängen soll.«
»Jetzt wird es langsam unübersichtlich«, bemerkte Hain und blätterte erneut um.
»Na, so schlimm wird es schon nicht werden, meine Herren. Dieser Schrick, Peter Schrick, soll, wenn man den neuesten Gerüchten Glauben schenken darf, ein Arrangement mit dem Belgier getroffen haben, um ihm dadurch den Einstieg zu erleichtern. Man munkelt, dass es dabei um besondere Konditionen für die Kremierungen gehen soll.«
»Was müsste Schrick im Gegenzug tun?«
»Das ist noch nicht raus. Oder besser gesagt, ich weiß es nicht. Aber es steht zu vermuten, dass Schrick sich einen Teil des Kuchens sichern will, den eigentlich Wohlrabe verteilen wollte. Denn wer das Krematorium betreibt, kann über kurz oder lang die Preise diktieren. Er muss ein paar Monate mit Dumpingpreisen den Kollegen das Wasser abgraben, und wenn die pleite sind, kann er machen, was er will. Aber auch darum muss es meiner Meinung nach nicht vorrangig gehen, denn das Krematorium in Hofgeismar würde sich nur rechnen, wenn es Leichen im Umkreis von 200 Kilometern zugeführt bekommt. Bei denen wäre das Zauberwort die Auslastung. Über die können sie das große Geld machen, aber dafür müssen sie erstmal die benötigte Menge an Leichen kriegen.«
»Puh«, machte Hain. »Da scheint es ja zuzugehen wie auf dem Basar?«
Abel lachte laut auf. »Auf dem Basar geht es im Vergleich dazu seriös zu, meine Herren. Wenn Sie noch ein wenig Zeit haben, erzähle ich Ihnen noch eine kleine Geschichte, die Ihnen das zu verdeutlichen hilft.«
Beide Polizisten nickten, Abel trank wieder einen Schluck.
»Wir haben uns vor ein paar Wochen gewundert, dass die Leichen, die wir von den Bestattern angekarrt bekommen haben, immer dicker geworden sind. Es war wie eine Seuche. Das wäre
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