Bullenhitze
erzählt. Aber Genaues kann ich Ihnen dazu wirklich nicht sagen.«
»Aber Sie sind sich sicher, dass sein Sinneswandel, was den Krematoriumsbau angeht, einzig und allein dadurch hervorgerufen wurde, dass seine Freundin ihm den Laufpass gegeben hat?«
»Absolut, ja. Das war seine einzige Möglichkeit, ihr zum Ende noch eins auszuwischen, und die hat er zu 100 Prozent genutzt.«
»So, so«, machte Lenz. »Und Sie haben wirklich keine Idee, wo wir nach Herrn Bittner suchen könnten? Er hat keine Andeutung gemacht, wo er hin wollte?«
»Absolut nicht, nein. Mir ist nur aufgefallen, dass er ziemlich mitgenommen ausgesehen hat, aber wer will ihm das verdenken?«
Hinter ihnen wurde die Tür geöffnet und ein älteres Ehepaar schob sich, begleitet vom ohrenbetäubenden Lärm der Klingel, in den Laden. Die beiden Polizisten traten ein Stück zur Seite.
»Ist der Sebastian hier?«, wollte der Mann erbost wissen.
»Nein, tut mir leid«, gab die Verkäuferin völlig ruhig zurück.
»Wenn Sie ihn sehen, dann richten Sie ihm bitte aus, dass er eine Schande ist für unsere schöne Stadt, und dass wir uns für ihn schämen. Und dass er froh darüber sein kann, dass seine armen Eltern das nicht mehr erleben müssen, können Sie ihm auch noch ausrichten.«
Die Verkäuferin griff nach einem Block auf der Theke, machte ein paar Notizen darauf und sah die beiden an. »Und von wem darf ich es ausrichten«, fragte sie ebenso höflich wie lakonisch, was den beiden jedoch völlig entging.
»Von den Heckenmüllers. Richten Sie ihm aus, dass die Heckenmüllers hier waren und es ihm gerne ins Gesicht gesagt hätten, aber Charakter scheint ja nicht die große Stärke des Herrn Bittner zu sein.« Damit drehten sich die beiden um und verließen ohne ein weiteres Wort den Laden.
»Damit steht es zehn zu drei für teeren und federn«, schmunzelte die junge Frau, nachdem sie kurz nachgezählt und den Block zurück auf die Theke geworfen hatte.
*
»Was hältst du davon«, fragte Hain auf dem Weg zum Auto, »wenn wir unsere Anwesenheit hier in Hofgeismar nutzen, um dem Herrn Bürgermeister noch kurz unsere Aufwartung zu machen? Vielleicht weiß er ja, wo sich sein Referent aufhält.«
»Gute Idee. Vielleicht hat sich die Sache auch schon geklärt. Ansonsten kann er uns vielleicht einen Tipp geben, wo wir suchen können.«
Das Schneetreiben wurde immer dichter, und die Polizisten waren froh, als sie im Wagen saßen.
»Obwohl«, griff Lenz den Gedanken nach einem Blick zur Uhr im Armaturenbrett noch einmal auf, »wahrscheinlich treffen wir dort gar niemanden mehr an. Es ist nämlich schon 17 Uhr durch.«
»Und ich hab noch immer nichts im Magen«, brummte Hain. »Ich hätte doch was Anständiges lernen sollen.«
»Wenn wir im Rathaus fertig sind, lade ich dich zum Essen ein. Und du suchst aus, wohin wir gehen.«
Der junge Oberkommissar warf erstaunt den Kopf herum. »Was ist denn in dich gefahren?«, sprudelte es aus ihm heraus.
»Nimm es einfach, wie es ist, Thilo. Ich hab nichts Unsittliches vor mit dir, wenn du das meinen solltest.«
»Na, das würde ich dir altem Knopf auch gar nicht mehr zutrauen. Oder läuft da tatsächlich noch was bei dir?«
»Fahr los«, erwiderte Lenz müde.
Entgegen ihrer Befürchtungen hielt sich Anselm Himmelmann noch in seinem Büro im Rathaus auf. Die junge Sekretärin am Empfang bat sie um Geduld, damit sie klären konnte, ob der Herr Bürgermeister die beiden Polizisten noch empfangen würde.
»Kein Problem«, erklärte sie kurze Zeit später und deutete auf die Tür, aus der sie gekommen war. »Gehen Sie einfach rein.« Aus dem Büro drang Fernsehlärm. Offenbar sah Himmelmann sich eine Sendung an.
»Kommen Sie rein, meine Herren, nur nicht schüchtern«, forderte der Bürgermeister sie aus seinem Stuhl hinter einem riesigen Schreibtisch auf. In der Hand hielt er eine Fernbedienung, mit der er auf einen reichlich dimensionierten Flachbildmonitor zielte.
»Es dauert noch einen kleinen Moment, aber vielleicht ist das ja auch für Sie interessant, wenn Sie aus Kassel kommen.«
Lenz und Hain sahen sich irritiert an.
»Ihr Oberbürgermeister gibt gerade eine Pressekonferenz. Vielleicht kündigt er ja seinen Rücktritt an, wegen dem schweren Unfall seiner Frau.«
Lenz wurde von einem Schauer erfasst, der seinen ganzen Körper erzittern ließ. Er drehte sich zum Bildschirm und sah in das ungesund rote Gesicht von Erich Zeislinger, der gerade das vor ihm aufgebaute Mikrofon
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