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Bullenpeitsche: Kriminalroman (Droemer) (German Edition)

Bullenpeitsche: Kriminalroman (Droemer) (German Edition)

Titel: Bullenpeitsche: Kriminalroman (Droemer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Buchholz
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einen Augenblick, um zu kapieren, dass das ein Lachen werden soll, und dann fängt sie auch schon an, lacht laut und kehlig und schmeißt den Kopf nach hinten. Die Tränen schießen ihr in die Augen, sie wischt sie nicht weg, es ist die Art von Lachen, wie ich es ansatzweise auch von Carla kenne, aber das hier sprengt alles, was ich bisher an Lachen gehört habe. Es ist so unfassbar ansteckend, dass ich mich auch kaum noch halten kann. Ich hab keine Ahnung, was daran jetzt gerade so lustig war, aber ich muss einfach mitlachen. Und ich glaube, sogar das Gemüt vom traurigen Donner wird davon ein klein wenig heller.
    Irgendwann, mitten im großen Gelächter, rappelt sich Naima auf, schnappt ihre Plastiktüte, klopft sich den Sand vom Mantel und schaut zu mir runter.
    »Chastity«, sagt sie und schüttelt den Kopf, »wir sollten uns wirklich nicht mehr treffen.«
    Sie lacht immer noch, aber ihre Augen bekommen einen eigentümlichen, traurigen Glanz.
    »So schlimm?«, frage ich und versuche, meine Stimme zu beruhigen.
    »Ja«, sagt sie, »so schlimm. Wenn Sie wüssten.«
    Sie wischt sich die Tränen von den Wangen und wird ernst. »Oh mein Gott, wenn Sie wüssten.«
    Ich sehe sie an und weiß nicht, was ich sagen soll.
    »Ich muss gehen«, sagt sie.
    Sie schnalzt mit der Zunge, der Kleine Donner erhebt sich langsam, trottet zu ihr und legt sich auf ihre Füße. Bloß nicht zu viel bewegen.
    »Sehen wir uns wieder?«, frage ich.
    »Das müssen Sie wissen«, sagt sie und schüttelt nochmal den Kopf.
    Ich?, denke ich. Ich weiß gar nichts.
    Sie dreht sich um und stapft trotzig durch den Sand in Richtung Promenade, der traurige Hund kommt kaum hinterher.
    Ich bleibe noch eine Weile sitzen und versuche herauszufinden, ob die Zeichen der Elbe auf Flut oder Ebbe stehen, aber bei all dem Wasser ist das unmöglich. Und dann klingelt mein Telefon, und der Calabretta ruft an.
    »Hallo«, sage ich und höre meine eigene Stimme kaum.
    »Hallo, Chef«, sagt der Calabretta.
    »Was gibt’s?«
    »Haben Sie Hunger? Ich würd’ Sie gern zu mir zum Essen einladen.«
    Ehrlich gesagt: Nein. Aber der Calabretta würde nicht fragen, wenn es ihm nicht wichtig wäre. Und nach allem, was heute passiert ist, hätte ich nichts dagegen, das nochmal in Ruhe mit ihm durchzukauen. Bei einem oder sieben Bier.
    »Ich bringe Getränke mit«, sage ich und springe auf. Die Fähre in Richtung Altona kommt keine Minute zu früh, denn der Regen gibt wieder dermaßen Gas, dass ich mich langsam wirklich frage, was das am Ende eigentlich werden soll und ob wir statt Sommer hier inzwischen vielleicht einfach Regenzeit haben.
    Ich hechte an Bord und flüchte unter Deck. Wickele meine Nerven in den brummenden Motor und mache für ein paar Minuten die Augen zu.

    * * *

    Der Calabretta und ich sind nicht der Typ Kollegen, der sich gegenseitig besucht. Manchmal holen wir den anderen ab. Der Calabretta mich mit seinem Alfa oder ich ihn mit dem Taxi, wenn der Alfa wieder mal in der Werkstatt ist. Von außen kenne ich das Haus, in dem der Calabretta wohnt, also ziemlich gut. Es ist tatsächlich einer meiner Fixpunkte geworden und wird es mit jedem Jahr mehr. Ich mag den Kasten an der ruppigen Königsstraße, auch weil er sich konsequent jeglicher Idylle verweigert. Ein dreigeschossiger, weiß geklinkerter 60er-Jahre-Bau, der im Grunde nur aus Ecken besteht. Der Komplementärentwurf zur melodiös-melancholischen Jugendstilbröckelei, in der ich wohne. Im dritten Stock hat jemand seinen Balkon wild mit bunten Geranien behängt, einer hat überall Totenkopfflaggen und ein großes Ramones-Plakat drapiert, der Balkon dazwischen gehört dem Calabretta. An der Wand stehen eine Palme und ein Grill, am Geländer baumeln ein himmelblauer SSC-Napoli- und ein schwarz-weiß-gestreifter Juventus-Turin-Wimpel im norddeutschen Wind. Klassischer Italiener-in-Altona-Balkon.
    Unten im Haus ist ein Kiosk. Ich kaufe noch einen Sechserpack Alsterwasser und einen Sechserpack Bier, und dann klingle ich, und die Tür geht auf, und ich gehe die Treppen hoch, und der Calabretta steht oben an der Schwelle zu seiner Wohnung, lächelt mich vorsichtig an, und ich denke: Was ist denn hier los? Hier stimmt doch was nicht.
    Tatsache. Als ich in die Küche komme, sitzt da der Inceman am Tisch. Der kuckt genauso doof wie ich und sagt: »Was soll das denn werden?«
    »Überraschung?«, frage ich.
    Der Calabretta zeigt mit dem Finger auf mich und sagt: »Richtig.«
    Der Inceman und ich grummeln vor uns

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