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Bullenpeitsche: Kriminalroman (Droemer) (German Edition)

Bullenpeitsche: Kriminalroman (Droemer) (German Edition)

Titel: Bullenpeitsche: Kriminalroman (Droemer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Buchholz
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weil er recht hat. Wäre er mit einer anderen Frau zusammen, würde ich vermutlich ausflippen.
    »Stimmt«, sage ich. »Das ist nicht fair.«
    Ich sehe ihn an, ich versuche ihm standzuhalten, ich strecke ihm beide Hände hin und sage:
    »Dein Herz. Bitteschön. Hiermit offiziell freigegeben. Ich will es nicht mehr haben, und ich werde es ab jetzt in Ruhe lassen. Pass gut darauf auf.«
    Er nimmt meine Hände und hält sie fest. Wir sehen uns an. Über uns rauschen die Wolken und der Himmel in Richtung Osten, die Welt ist in einen Beschleuniger geraten, nur wir beide nicht, wir stehen still.
    Und es dauert eine ganze Weile, bis der Himmel aufhört, sich zu überschlagen.
    Einer von uns müsste was sagen, denke ich. So was wie: Freunde?
    Ich sage: »Kollegen?«
    »Ja«, sagt der Inceman, »Kollegen.«
    Er macht kurz die Augen zu und es ist, als hätte ich ihm sein Herz nicht zurückgegeben, sondern es aus seiner Brust geholt, in Stücke gerissen und vom Balkon geschmissen.
    So.
    Das mag jetzt vielleicht hilfreich gewesen sein für die Stimmung im Team. Aber es schmeckt bitter, denn wir haben unsere Geschichte ein für allemal begraben.
    Ich würde meinen Kollegen gerne in den Arm nehmen, aber dieser typische Inceman-Ausdruck auf seinem Gesicht, diese mit Stolz verquirlte Traurigkeit sagt mir, dass das eine sehr schlechte Idee wäre.
    Dann setzt die Musik ein, das kosmische Radio hat Johnny Cash ausgesucht, aber den ganz alten:

    Und du könntest das alles haben.
    Mein schmutziges Königreich.
    Ich werde dich fallen lassen.
    Ich werde dir wehtun.

    Wir drehen uns zum Fenster um. Da hinten steht der Calabretta, mit tröstendem Blick.
    Wird schon wieder.
    Jetzt kommt erstmal rein.
    Essen ist fertig.
    In diesem Moment fällt mir ein, dass ich heute Vormittag um zwölf Uhr mit Klatsche am Rathaus in Altona verabredet war, weil da Carla und Rocco geheiratet haben und wir bei ihnen sein wollten. Und wir haben doch heute Morgen noch drüber gesprochen. Verdammt, ich bin die schlechteste Freundin der Welt. Ich hab’s nämlich tatsächlich einfach vergessen.
    Und Klatsche, der alte Hippie, war offensichtlich wieder so tiefenentspannt, dass er nicht mal auf die Idee kam, mich anzurufen.
    Manchmal ist es mir ein Rätsel, wie wir alle durch dieses Leben stolpern, ohne ständig darin umzukommen.

    Manche behaupten, ich sei kein Mensch. Ich hätte kein Herz. Das ist so nicht ganz richtig. Ich habe ein Herz. Aber ich kann es ausschalten. Wegdrehen. Dann bin ich eine Maschine, die tut, was getan werden muss. Ich kann das tagelang, wochenlang durchhalten.
    Nur wenn sie den Raum betritt, wenn sie neben mir steht, wenn sie sich abends zu mir legt, wenn ich in ihre Augen sehe, wenn ihr Haar mein Gesicht berührt, dann schlägt mein Herz. Immer.

VII.
    NICHTS VERSPRECHEN, ALLES HALTEN

    Carla ist Portugiesin, Rocco ist alles Mögliche, genau wie seine Mutter, und sein Vater war mit hoher Wahrscheinlichkeit ein polnischer Geiger. Zusammen sind Carla und Rocco ein Paar, das in einer barocken katholischen Kirche auf der Großen Freiheit ganz gut aufgehoben ist, und jetzt stehen die beiden da und freuen sich so sehr darüber, zu heiraten, dass die ganze Zeit gelacht wird. Die Braut lacht, der Bräutigam lacht, und die Gäste lachen auch, es ist unglaublich. Das Beste daran: keiner weint. Tränen könnte ich heute wohl nicht verkraften. Würde auch nur einer heimlich anfangen zu weinen, ich würde überlaufen, und dann wäre hier aber Land unter. Der Tag gestern hatte zu viele Gefühlsraketen für mich im Paket.
    Und jetzt auch noch Hochzeit. Bin ich ja eh nicht so gut drin.
    Als Klatsche heute Morgen an meiner Tür geklingelt hat, hat er mit keinem Wort erwähnt, dass ich das Standesamt verpasst habe. Er hat für ein paar Sekunden sparsam gekuckt, ich hab mich geschämt, und dann hat er gesagt:
    »Verwegen siehst du aus. Wie einer von diesen schicken Bankräubern.«
    Ich hab für solche Anlässe nichts anzuziehen. Ich hab nur meinen Nadelstreifenanzug. Klatsche trägt eine schwarze Smokinghose, ein weißes Hemd, seine Jeansjacke, für Notfälle eine Zigarette hinterm Ohr und dazu sein bestes Grinsen.
    Carla sieht umwerfend aus, die Schneiderzwillinge haben ihr ein knielanges und brettenges weißes Kleid mit schwarzen Rosen auf den kurvigen Leib genäht. Ihre dunklen Locken sind im Nacken zu einem dicken Knoten gesteckt, auf ihrem Seitenscheitel sitzt eine schwarze Samtrose, die sich verhält wie ein kleiner Hut. Rocco trägt einen sehr

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