Bullet Boys
keine Wahl, er musste sie begrüßen.
»Geht’s gut?«, grinste Sasha, als er näher kam. »Das ist meine Mama und DAS …« Sie nahm ihrer Mutter das Kind ab und hielt es ihm stolz entgegen. »… das ist Sammy-Joe.« Das Kind trug einen blauen Anzug und einen riesigen Sonnenhut.
»Niedlich«, nickte Alex. Er wusste nicht, was man in so einer Situation sagen sollte. Er betete, dass sie ihn nicht bitten möge, es auf den Arm zu nehmen. Sasha trug einen braunen Rock, der sich im Wind blähte, und ein eng sitzendes gelbes T-Shirt. Sie hatte ein hübsches sommersprossiges Gesicht und kräftig aussehende Beine.
»Warum bist du nicht in der Schule?«, fragte sie neckisch. Sie hatte eine Million Sommersprossen und große Augen.
Alex zuckte die Achseln. »Mir war nicht danach.«
Sasha lachte. »Das ist keine Entschuldigung. Wir musstenheute mit Sammy-Joe zum Impfen. Und weil so ein schöner Tag ist, wollten wir hier oben noch ein bisschen frische Luft schnappen.« Sasha reckte das Kind zum Himmel hoch und der Kleine kicherte.
»Willst du ihn mal nehmen?«, fragte Sasha.
Alex erstarrte.
»Lass doch den Jungen«, sagte ihre Mutter. Alex lächelte ihr dankbar zu. Sashas Mutter sah beinahe so aus wie Sasha, hatte ebenfalls Sommersprossen und guckte genauso fröhlich. Sie trug Jeans und Turnschuhe, ihre Haare waren zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Sie war bestimmt nicht älter als fünfunddreißig Jahre.
»Tut mir leid«, murmelte Sasha. »Ich denke immer, alle müssten ihn so unwiderstehlich finden wie ich.«
»Na ja, um drei Uhr früh findest auch du ihn nicht gerade unwiderstehlich«, sagte ihre Mutter und schraubte eine Thermosflasche auf. »Kaffee?« Sie bot Alex eine Tasse an.
Alex schüttelte den Kopf. »Nein danke.« Er erinnerte sich an das, was Levi über Sasha gesagt hatte: dass sie das Kind mit siebzehn bekommen hatte, dass der Vater des Kindes sich abgesetzt hatte und dass ihre Eltern ihr das Kind abnahmen, damit sie zur Schule gehen konnte. Levi schwärmte für Sasha. Sie strahlte Lebensfreude aus, ihre Haut glänzte und sie konnte genauso wenig die Klappe halten wie Levi. Alex fragte sich, wie das wohl für sie sein musste, so jung ein Kind zu haben.
»Netter Hund«, sagte Sasha, als sie sah, wie Gaffer an den Reifen des Autos schnupperte. »Und ich hab immer gedacht, du hättest ein ganzes Rudel Bluthunde.«
»Die sind zu Hause und fressen Rehkitze«, sagte Alex todernst.
Sashas Mutter grinste und guckte zur Seite.
»Was machst du eigentlich hier?«, fragte Sasha. »Verfolgst du irgendwen? Bist du einem flauschigen Biest auf der Spur, um es an deinen Galgen zu hängen?«
»Krähen schießen«, sagte Alex. Was würde sie wohl dazu sagen? Mädchen wie sie mochten keine Gewehre, kein Totschießen, da war er sich sicher.
»Oh, du hast ein Gewehr? Steckt das da drin?« Sie deutete auf sein Luftgewehr. »Darf ich das mal ausprobieren?«
Alex schmunzelte. Das sollte er lieber nicht erlauben: Sie hatte keinen Waffenschein und in Gegenwart von kleinen Kindern hantierte man nicht mit Gewehren.
»Sie macht nur Spaß«, sagte ihre Mutter.
»Gar nicht wahr«, sagte Sasha. »Aber egal. Ein andermal.«
»Wohnst du hier in der Nähe?«, fragte Sashas Mutter.
»Ja«, sagte Alex. »Ungefähr fünf Meilen von hier, in der Richtung.« Er zeigte hinunter ins Tal.
»Ist das nicht sehr einsam?«, fragte sie. »Hier oben gibt’s doch nichts für Jungs in deinem Alter, oder?«
»Mir gefällt’s hier«, sagte Alex.
»Und mir erst«, seufzte Sasha und klemmte sich eine Haarsträhne hinters Ohr. Sie grinste Alex an: »Was hältst du von dem Neuen, diesem Max? Ich nenne ihn Mad Max. Ich glaube, der ist ein bisschen durchgeknallt.«
Alex zuckte die Achseln. Für seine Begriffe war Max mehr als ein bisschen durchgeknallt, aber das wollte er lieber nicht sagen.
»Möchtest du was essen?«, fragte Sasha. »Wir haben mehr, als wir schaffen.«
»Nein danke«, sagte Alex, obwohl sein Magen knurrte.
»Komm schon«, sagte Sasha. »Wir haben Brote mit Schinken, Käse oder mit diesem ekelhaften Hummus. Der Kleine mag das. Nicht wahr, du kleiner Teufel?« Sie küsste das Kind, kramte in einer Kiste und holte ein Brot heraus, alles in einer einzigen Bewegung. »Hier ist eins mit Schinken. Du siehst aus, als würdest du gern Fleisch essen.«
Alex wollte schon wieder ablehnen, aber dann dachte er, warum eigentlich nicht?
Er nahm das Brot und biss hinein.
»Warum können wir nicht hier wohnen, Mum?«, fragte Sasha.
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