Bullet Boys
Sasha.
»Du hast ihm auch gefallen«, sagte Alex, noch immer ganz verblüfft über das, was er gehört hatte. »Komm, lass uns was essen.«
Sasha wollte aufs Klo und bat Alex, derweil auf Sammy-Joe zu achten.
»Klar«, sagte Alex und spürte Panik in sich aufsteigen. Das Klo hatte er vorhin nicht gecheckt. Wahrscheinlich war es total eklig, aber daran konnte er jetzt nichts mehr ändern. Sasha war schon auf dem Korridor. Und Sammy-Joe krabbelte auf den Ofen zu.
»Heiß«, sagte Alex. Weil es so regnete, hatte er seit Wochen zum ersten Mal den Ofen angemacht. Sammy-Joe reagierte nicht. Alex sprang auf und schnappte sich das Kind just in dem Moment, als es seine knubbelige Hand auf das heiße Metall legen wollte.
»Du Spinner«, sagte Alex.
Es klopfte an der Tür. Alex blickte aus dem beschlagenen Fenster und hielt das Kind fest im Arm. Im Hof stand ein Militärwagen mit einem orangenen Farbfleck auf der Haube. Alex erschrak.
Das musste mit den Gewehren zu tun haben. Verdammt noch mal, warum hatte er sich von Levi überreden lassen, durch den Zaun zu kriechen?
Alex hörte, dass vor der Tür jemand hustete. Das musste Hauptfeldwebel Furzey aus der Kaserne sein. Furzey kam immer mal hier vorbei, wenn er was im Sperrgebiet zu tun gehabt hatte oder sich nach den Winterjagdzeiten für Fasane erkundigen oder einfach bloß mit Tim plaudern wollte. Das war schon ewig so.
Das Klopfen an der Tür wurde lauter.
Widerwillig machte Alex auf.
Furzey war ein großer Mann Anfang fünfzig. Sein braunes Haar wurde langsam grau und um die Augen hatte er tiefe Krähenfüße. Seine Uniform bestand aus einem grünen Pullover, Armeehosen und schwarzen Stiefeln. Von seinem Barett tropfte der Regen.
Er sah das Kind und verlor für einen Moment die Fassung.
»Doch nicht deins, oder?«, grummelte er.
»Nein«, sagte Alex. »Kommen Sie rein.«
Der Hauptfeldwebel setzte sich an den Tisch und ließ sich von Axel eine Tasse Tee einschenken.
»Dein Vater ist nicht zu Hause?«
»Nein«, sagte Alex und zog das Kind weg, das seine Hand nach dem Barett des Hauptfeldwebels ausstreckte.
Furzey räusperte sich. »Uns wurde gemeldet, dass Leute das Sperrgebiet betreten haben sollen«, sagte er und blickte Alex scharf an. »Habt ihr was gesehen? Du oder dein Dad?«
Alex spürte, wie sich seine Gesichtshaut spannte. Damit waren bestimmt Levi und er gemeint. Er durfte nichts sagen.
»Nein«, brachte er heraus.
»Es sieht so aus, als hätte sich jemand am Zaun zu schaffen gemacht.«
Alex schüttelte den Kopf. Aber er hatte den Eindruck, dass Furzey trotz seiner höflichen Fragen längst alles wusste.
»Es ist äußerst gefährlich, militärisches Sperrgebiet zu betreten«, sagte Furzey, beugte sich vor und faltete seine großen grauen Hände. »Manchmal wird dort unten scharf geschossen. Wir machen da sehr häufig Manöver mit Granatwerfern, Granaten, Lasergeräten. Selbst wenn wir zumeist mit Platzpatronen arbeiten – Zivilisten haben da überhaupt nichts zu suchen.«
»Ja, sicher«, sagte Alex. »Ist denn was beschädigt?« Gott, Furzey musste doch merken, dass er nur bluffte. Alex war ein ganz schlechter Lügner.
Furzey lehnte sich zurück. »Wahrscheinlich waren es nur Dachse«, sagte er etwas freundlicher. Er nahm einen Schluck Tee. »Vor ein paar Jahren haben Dachse ein Loch unter dem Zaun gegraben und einen riesigen Alarm ausgelöst. Wir mussten dann eine Betonröhre für sie bauen.«
Sasha kam zurück, nahm Alex das zappelnde Kind ab und schenkte dem Hauptfeldwebel ein flüchtiges Lächeln. Der schaute ihr zu, wie sie sich im alten Ohrensessel am Ofen niederließ.
»Alex, du treibst dich doch immer draußen rum. Ist dir wirklich nichts aufgefallen? Irgendwas, was anders war als sonst?« Alex spürte ein Ziehen in seinem Bauch. Das war schrecklich. Sollte er es lieber doch sagen? Furzey klang, als wüsste er, dass es Alex war.
Alex schüttelte den Kopf. Er traute seiner Stimme nicht.
Er fühlte sich ertappt.
»Du weißt doch, dass unerlaubtes Betreten von militärischem Sperrgebiet, also dem Eigentum Seiner Majestät der Königin, strafbar ist?«, sagte Furzey freundlich.
Alex nickte und hielt den Mund fest geschlossen. Er blickte zu Sasha hinüber, die verstört wirkte. Das plötzliche Auftreten dieses großen, ernsten, uniformierten Soldaten schien ihr Angst zu machen. Alex durfte die Gewehre auf keinen Fall erwähnen. Er wollte Sasha nicht in die Sache reinziehen, vor allem, weil sie mit Sicherheit alles ganz genau
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