Bullet Boys
meinen keuchenden Atem zu beruhigen. Über mir kreist ein Bussard. Sieht es ruhig aus von dort oben?
Was habe ich angerichtet? Eben noch haben alle rumgebrüllt und dann ging plötzlich das Ding los. Da war Blut. Der Soldat hielt die Hand vors Gesicht. Vielleicht bin ich ein Mörder! Vor lauter Nervosität beiße ich mir in den Finger.Ich weiß nicht, warum ich das tue, aber es tut weh und es kommt Blut.
Arme Sau! Ich wollte wirklich nicht auf ihn schießen. Das ist die Hölle.
Ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen. Es war nicht meine Schuld. Die Soldaten waren so aggro. Sie haben angefangen! (Wirklich?) Sie haben mich in die Kloakengrube gestoßen. Niemand, der auch nur einen Funken Selbstachtung hat, hätte sich das gefallen lassen. Niemand.
Ich krieche ein Stückchen weiter. Vor mir liegen Meilen brauner Heide und zerklüfteter Aufschlüsse. Im Moor kann ich mich schnell verlaufen, aber wo zum Teufel soll ich sonst hin?
Ich habe auf einen Soldaten geschossen! Sie werden mich einsperren und zusammenschlagen. Soldaten gelten als Helden. In der Stadt gibt es oft Paraden von heimkehrenden Soldaten, flankiert von Menschen, die Fahnen und Wimpel schwenken und Trompeten blasen. Alle werden denken, ich bin schlimmer als ein Feind in einem fernen Land.
Über mir kreisen die Vögel wie Geier, die auf ihre Beute warten. Ich zittere. Ich zwinge mich, noch einmal durch den Ritz zu schauen. Soldat Baz ist aus dem Bild verschwunden, das heißt, er könnte überall sein. Er könnte fast hier sein. Ich rapple mich auf. Alles tut mir weh, aber ich muss weiter.
Ich laufe ins Moor hinein.
Ich glaube, ich bin jetzt etwa zwei Stunden unterwegs. Meine Kehle ist so ausgedörrt, dass es sich anfühlt, als wollte sie zerbrechen, und mein Kopf kocht vor Hitze. Jedes Knacken, jedes Rascheln lässt mich zusammenzucken.
In einem flachen Tal lasse ich mich neben einen verkrüppelten Baum mit stacheligen Blättern auf den Boden plumpsen. Ich habe keine Ahnung, wo ich bin. Ein smaragdgrüner Käfer krabbelt über meinen Schuh. Es ist bestimmt schon ein Uhr mittags. Die Sonne brennt, knallt durch die spillerigen Blätter auf mich drauf. Ich habe keinen Plan. Was soll ich machen? Wohin soll ich gehen? Die Panik lässt mich nicht los. Wenn dieser Soldat mich findet, zerreißt er mich in Stücke, da habe ich keinen Zweifel. Ich habe auf seinen Bruder geschossen, um Gottes willen! Ich möchte nicht wissen, was ich tun würde, wenn jemand Simon so verletzen würde.
Was war das? Ich blicke mich wie wild um, aber abgesehen von den winzigen Wolken über mir bewegt sich nichts. Hier ist nichts, aber auch gar nichts zu sehen, nur ein paar große alte Steine heben sich am Horizont ab. Ich schnipse den Käfer weg und ziehe meinen Schuh aus. Auf dem Spann habe ich eine spiegeleigroße Blase. Ich schiebe ein Taschentuch in meine heiße, feuchte, stinkende Socke und zieh den Schuh wieder an. Ich bilde mir ein, so würde es weniger wehtun.
Mein Gefühl sagt mir, ich sollte nach Süden gehen, so weit weg wie möglich von der Kaserne. Inzwischen haben sie mir sicher das ganze verdammte Regiment auf den Hals gehetzt. Die Soldaten werden wie Heuschrecken im Moor ausschwärmen, sie werden mich für eine militärische Übung benutzen. Gott, bin ich am Arsch.
Irgendwo höre ich Wasser tröpfeln, nicht weit weg. Wenn ich nicht bald was trinke, kippe ich um. Meine Lippen sind trocken und ich habe einen üblen Geschmack im Mund.
Was soll ich tun?
AUF DEM OAKE HÜGEL
Der Staub, den der Militärlaster aufwirbelte, überzog Alex’ Kleidung und drang ihm in Hals und Nase. Zuerst hatte er wie besessen losrasen wollen, aber nicht seinen Freunden und Baz hinterher, sondern um sich seine Hunde zu schnappen und ganz schnell nach Hause zu verschwinden. Sollten die Jungs doch ihre Suppe selber auslöffeln. Aber er brachte es nicht fertig, sie einfach sich selbst zu überlassen. Er musste gründlich nachdenken. Das Ganze war wie eine Farce – jeder jagte jedem hinter. Wusste Max überhaupt, wohin er rannte? Alex bezweifelte es. Es hätte ihn nicht überrascht, wenn Baz ihn schon eingeholt hätte. Und das gab schließlich den Ausschlag für seine Entscheidung. Er musste Max und Baz hinterherlaufen und verhindern, dass Baz ausführen konnte, was immer er im Sinn hatte. Alex holte sein Fernglas und ein Seil aus dem Wagen und band die Hunde an die Frontschutzbügel. Im Auto war es viel zu heiß.
»Tut mir leid, Jungs«, sagte er in ihre enttäuschten
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