Bullet Boys
unberechenbar und hatte niemals erkennen lassen, dass er sich für irgendjemanden außer für sich selbst interessierte.
Und was war mit Levi?
SCHUHE
Mein Fuß tut grauenhaft weh. Es ist, als hielte jemand ein brennendes Feuerzeug an die Haut. Zuerst hab ich die Blase ignoriert, aber inzwischen tut es einfach höllisch weh. Ich kann nicht gut mit Schmerzen umgehen. Ich habe mich wie eine Amphibie in einem Schilfdickicht versteckt. Die langen spitzen Wedel verbergen mich. Es tut gut, einfach nur zu sitzen, den Fuß anzustarren und mit dem Finger die brennende Wunde abzutasten. Wäre ich zu Hause, hätte ich mich längst auf die Unfallstation geschleppt. Aber ich sitze mitten auf einer breiten halbtrockenen Sumpfwiese im tiefen Tal. Selbst wenn der Soldat sich hierher wühlt, wird er mich wahrscheinlich nicht sehen, also sollte ich einfach hierbleiben. Ich muss pinkeln, aber ich möchte nicht aufstehen, ich bin ZU KAPUTT. Ich laufe schon seit Stunden durch die Gegend und habe Hunger und Durst. Ich weiß nicht, wo ich bin, und auch nicht mehr genau, aus welcher Richtung ich eigentlich gekommen bin. Vor etwa einer Stunde bin ich an einigen gestreiften militärischen Pfosten vorbeikommen, solchen, an denen manchmal die roten Fahnen hängen, aber die haben mir auch nicht verraten, wo ich mich befinde.
Puh! Wie lange hocke ich schon hier? Woran habe ich gerade gedacht?
Ich weiß es nicht mehr. Ich lege die Hände über den Kopf, um mich ein oder zwei Minuten lang vor der Sonne zu schützen. Ich muss wirklich was trinken. Ich habe den Soldaten abgehängt, doch ich bin sicher, der bleibt so lange dran, bis er mich gefunden hat. Aber müsste er nicht bald in seine Kaserne zurück?
Vielleicht ist es am schlauesten (und die einzige Möglichkeit), wenn ich mich irgendwo verkrieche; einfach ein paar Tage im Moor verharren und dann weitersehen.
Was ist das? Ich entdecke etwas Weißes, dass aus dem Boden ragt. Es ist ein sonnenheißer Stein mit Kanten, die so scharf sind wie Glas. Ich denke an den Soldaten Baz, ziehe den Stein heraus und stecke ihn mir in die Tasche. Jetzt habe ich nicht mehr solche Angst. Ich glaube, ich bin schon jenseits von Angst. Ich fühle überhaupt nichts mehr (abgesehen von meinem Fuß). Es ist, als betrachtete ich alles von außen. Und wenn ich mich so umgucke, weiß ich vielleicht sogar DOCH, wo ich mich befinde. Mit fünfzehn habe ich auf der Risings für den Zehn-Hügel-Lauf trainiert (obwohl ich den dann doch nicht gemacht habe). Ich glaube, ich bin jetzt irgendwo im Mittleren Nordmoor, vielleicht zwischen Yes und Kitty Hügel. Ich muss Wasser finden. Ich ziehe meine feuchte, schmutzige Socke wieder über meinen geschwollenen, heißen Fuß und zucke zusammen, als der Stoff die Wunde berührt. Den Schuh anzuziehen ist eine wahre Tortur. Es ist so unerträglich, dass ich das schreckliche Ding gleich wieder ausziehe. Ich werde auf Socken weitergehen. Ich stehe auf und will den Schuh in die Tasche stecken, aber da passt er nicht rein, also schiebe ich ihn mirhinten in die Hose, aber da rutscht er runter und piekt mich am Hintern und ich KANN IMMER NOCH NICHT LAUFEN. Ich lasse den Schuh am Schnürsenkel baumeln und gehe los. Und schon patsche ich in weichen Modder, der meinen Fuß einsaut. Siedend heißer Zorn durchflutet mich, ich fluche und schleudere den Schuh weit von mir. Warum mache ich so was? Jetzt bin ich auch noch meinen Schuh los. Schnaufend und keuchend stolpere ich durchs Schilf, trete auf Stacheln, die Socke rutscht mir vom Fuß.
Wann wird das vorbei sein?
Die Sonne steht jetzt tiefer am Himmel. Es war der längste und heißeste Tag meines Lebens.
Ich liege bäuchlings unter einem umgefallenen alten Baum, der mir den dringend benötigten Schatten spendet. Ich lutsche an einem Stein, als wäre ich ein Leprakranker. Er schmeckt salzig, aber immerhin bildet sich auf diese Weise Spucke in meinem Mund, und die kann ich schlucken. Ich habe solchen Durst, dass ich glatt meine eigene Pisse trinken würde.
Mein einziger, mein verwaister Schuh steht neben mir. Er ist so verdreckt, dass er aussieht wie ein Bauerntreter. Zu Hause habe ich Schränke voller Schuhe: Turnschuhe, abgetragen und bequem; wasserdichte Gummistiefel mit runden Kappen. Selbst meine alten Risings-Schuhe sind besser als dieses lederne Folterinstrument. Die Sohlen sind glatt wie Glas.
Steht die Sonne wirklich tiefer oder habe ich mich nur bewegt ?
Trockene Haut schuppt sich von meinen Lippen, als hätte ich zu viele
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