Bullet Boys
er nicht einordnen konnte. Plötzlich drehte sich Levi um und kam auf sie zugerast. Die Männer blieben verblüfft stehen.
»Hat er uns gesehen?«, fragte Alex.
»Vor einer Minute konnte er sich kaum noch rühren«, sagte Baz. »Und auf einmal rennt er, als wollte er olympisches Gold holen.«
»Scheiße«, sagte Saul.
Am Horizont zeigte sich jetzt eine orangefarbene Linie. Das Knacken wurde immer lauter. Alex blieb stehen und sah voller Entsetzen Flammen über den Kamm des Hügels schlagen. Angefacht vom böigen Wind raste das Feuer den Hügel abwärts. Das Moor brannte! Mit wachsender Angst sah Alex Levi vor dem Feuer fliehen.
»Levi!«, schrie er. »Levi!« Er ließ alles fallen und rannte ihm entgegen.
PONYS
Ich sitze am Hafen im Warteraum für die Passagiere. Die meisten meiner Mitreisenden nach Frankreich warten in ihren Autos darauf, dass sie an Bord der Fähre fahren können, ich aber sitze auf einem orangen Polstersitz und blättere in meinem Pass. Fast alle Seiten sind vollgestempelt. Hier der ovale Stempel vom letzten Jahr, als wir zwei Monate in den USA waren. Ich blicke auf die nächste leere Seite. Da wäre jetzt ein südafrikanischer Stempel, wenn ich nicht vorgetäuscht hätte, ich wollte unsere Schule in die Luft jagen.
»Also, ich nehme an, du hast wieder mal eine spektakuläre Max-Cosgrove-Nummer abgezogen.« Simon trinkt tatsächlich den Tee aus dem Automaten. Bemerkenswert. »Und hast jetzt Schiss, stimmt’s?« Ich antworte nicht, obwohl ich weiß, dass ich antworten muss. Wie kann ich meinem Bruder sagen, dass ich auf einen Soldaten geschossen habe und auf der Flucht bin?
Diesmal kann ich nicht erwarten, dass er mich deckt. Simon ist Offizier der Britischen Armee, verdammt noch mal. Er ist einer von ihnen ! Disziplin, Gehorsam und Ehre sind ihm bis ins Mark eingedrillt worden.
»Sag bloß, der Bombenleger von der Risings hat wieder zugeschlagen?«
Er sitzt mir gegenüber und sucht Augenkontakt.
Ich stecke den Pass in die Tasche, ich kann Simon weder antworten noch ihn angucken. Ich spiele auf Zeit.
»Max«, sagt Simon. »Mache ich mich strafbar, indem ich dich hierherbringe?«
Vielleicht. Wird Simon bestraft werden? Weil er einen Verbrecher unterstützt und begünstigt? Ich schaue hinüber zu den wartenden Autos mit den großen Dachboxen. Meinetwegen könnte Simon alles verlieren.
Das Wasser im Hafenbecken ist aufgewühlt, der Wind sehr stark. Die Fahrt über den Kanal wird unangenehm werden.
»Max«, sagt Simon. »Komm, lass uns nach Hause fahren, ja? So schlimm kann das doch nicht sein, was du getan hast.«
O doch.
Ich war böse, Bruder / richtig böse
tat ’ne böse Tat / säte böse Saat
muss weg aus dem Dreck / laufe weg, laufe weit
segel durch den Nebel in die Ewigkeit
Ich klopfe den Rhythmus mit einer Hand auf meinen Oberschenkel und versuche, mich auf den Fernseher zu konzentrieren, der unter der Decke des Warteraums hängt. Mit der anderen Hand halte ich mich krampfhaft an meinem Ticket fest. Ich kann mich nur durch Flucht retten.
Woher soll ich das wissen / ein Ding zum Krähenschießen
haut einen Mann von den Füßen
und ich muss jetzt büßen
ein Schuss und / sein Auge war futsch
er hat mich gedisst
mein Leben verbittert
meine Kraft zersplittert
mein Selbst erschüttert
die Latrine war voll übel / Dreck wie aus dem Kübel
dieser böse Traum / löst sich auf im Wellenschaum
Ich bin so in die Reimerei versunken, dass ich eine ganze Weile gar nicht mitbekomme, was in den Nachrichten gesagt wird. Auf dem Bildschirm tobt ein gewaltiges Feuer. Riesige Flammen schießen hoch, bestimmt über zehn Meter hoch. Das muss in Australien sein.
Aber die Landschaft kommt mir bekannt vor.
»Nein.« Ich gehe durch den Warteraum zum Fernseher. Ohne Rücksicht auf die anderen Wartenden steige ich auf einen Stuhl und stelle den Ton laut.
»Simon, guck doch.«
Das Feuer tobt im nördlichen Dartmoor, und zwar jetzt, in diesem Augenblick. Menschen und Tiere werden evakuiert. Es folgt ein Interview mit einer Gruppenleiterin, die von plappernden Pfadfinderinnen umringt ist.
»Ein Glück, dass wir ausgeraubt wurden, sonst wären wir immer noch im Moor gewesen.«
Das war ich! Ich habe ihr Leben gerettet!
Wir schauen gebannt auf eine Luftaufnahme des Brandes.
Ich bin so erschrocken, dass ich kaum atmen kann. DasFeuer tobt genau dort, wo ich erst vor wenigen Stunden rumgelaufen bin. Das Moor ist jetzt ein Meer aus Rauch und Flammen. Ich hole zitternd Luft und erlaube
Weitere Kostenlose Bücher