Bullet Catcher 1: Alex
Jazz blickte ebenfalls auf das Gemälde. Sie spürte eine Gänsehaut auf den Armen. Dieses Haus. Es kam ihr so bekannt vor und wirkte gleichzeitig bedrohlich, allein der Anblick löste ein Gefühl der … Hilflosigkeit aus. Irgendetwas an diesem Haus war böse.
Max Roper war kein Heuchler. Das musste Alex ihm zugutehalten, als sie sich im Flur ohne einen Händedruck verabschiedeten. Sie mochten sich nicht, und das würde sich auch nie ändern. Warum sollten sie sich etwas vormachen.
Aber sie waren zu einer Einigung gekommen. Alex hatte versprochen, dass Jazz zwar Ollie befragen würde – der Max zufolge einen Kater hatte und in Jessica verschossen war –, aber dass sie weiter nichts unternehmen würden, ohne vorher mit Lucy zu sprechen.
Etwas anderes hatte Alex sowieso nicht vorgehabt, und das Versprechen beruhigte Max. Sobald Alex außer Hörweite war, würde Max natürlich sofort Lucy anrufen und ihr brühwarm erzählen, dass Alex und Jazz sich nicht an ihre Befehle hielten und weiter in dem Fall ermittelten.
Alex sah Max hinterher. Sicher würde er das Handy schon herausziehen, bevor er das Gebäude verlassen hatte. Alex drehte ihm den Rücken zu und ging zurück zum Büro. Als er um die Ecke bog, sah er nur den leeren Glaskasten; Jazz’ Handtasche hing noch über der Stuhllehne.
Wut schoss in ihm hoch. Warum konnte diese Frau bloß nicht auf ihn hören? Warum konnte sie nicht einfach tun, was er sagte, unter seinem Schutz bleiben und –
Vergiss es! Jazz zu beschützen war genauso leicht, wie den Wind einzufangen.
»Wo ist sie hin?«, bellte er in die fast gänzlich verlassene Nachrichtenredaktion.
Der Mann am Pult legte die Hand auf sein Mikro und starrte ihn an. »Keine Ahnung, Alter.«
Alex wirbelte herum und suchte den zweistöckigen Raum mit den Augen ab. Das Meer von Computern in der Mitte war größtenteils schwarz, die Schreibtische unbesetzt. Nur ein Mann telefonierte. Ein Aufnahmeleiter schob eine Kamera durch die dunklen Kulissen. Im Kontrollraum neben dem Studio saß eine Gruppe Techniker, die nur Augen für ihre Geräte hatten.
Im oberen Stockwerk lagen noch mehr Glaskästen – allesamt leer. Es war Sonntagnachmittag, mehrere Stunden lang würden keine neuen Nachrichten ausgestrahlt werden, der Sender war quasi leer.
»Sie können doch nicht einfach verschwinden«, schnauzte er den Mann hinter dem Pult an, der zuckte nur die Achseln und sprach leise in sein Mikro.
Mierda!
Alex schaute in den Flur, der parallel zur Nachrichtenredaktion verlief. Die Maske, alle Kontrollräume und selbst die Büros lagen im Dunkeln. In der anderen Richtung hätten sie an ihm vorbeikommen müssen, einen anderen Ausgang gab es nicht. Waren sie etwa nach oben gegangen?
Alex nahm zwei Stufen auf einmal, eine Hand auf der Pistole, seine Gedanken rasten. Nur fünf Minuten hatte er sie alleine gelassen. Hatte seinen Erzfeind besänftigt, um ihren Arsch zu retten – und den ihrer Schwester – und ihnen Zeit zu verschaffen, und wusch! Fort war sie! Außer Atem, voller Wut und mit noch einem anderen Gefühl, für das er keinen Namen hatte, stürmte er voran.
War das etwa Angst?
Sein Herz schlug schneller, als er sich den Büros näherte. Wenn ihr nun etwas zugestoßen war. Wenn der irre Jergen ihr etwas angetan, sie angefasst hatte oder gar über sie hergefallen war.
Durch eine halb offene Tür fiel etwas Licht in den Flur. Alex unterdrückte den Impuls, nach Jazz zu rufen, zwang sich, ruhiger zu werden, er musste hören, was da vor sich ging.
»Mein Gott, sind Sie gut!«, sagte eine Männerstimme.
Was zum Teufel …? Alex drückte die Tür mit seiner Pistole auf.
Ollie und Jazz fuhren hoch, sie hatten die Köpfe vor einem Monitor zusammengesteckt, brüteten über irgendwelchen Scheißdaten. »Um Gottes willen, hast du mich erschreckt!«, rief Jazz.
Er hatte sie erschreckt? »Was machst du da?«
Sie zeigte auf ein Gemälde an der Wand, ein Strandhaus im Sonnenuntergang. »Ich suche dieses Haus. Auf Sunset Key, kurz hinter Key West. Kimball Parrish ist dort.«
Ollie richtete sich auf, sein Blick fiel auf Alex’ Pistole, dann nickte er Jazz zu. »Sie ist eine richtige Hackerin.«
Alex spürte einen Adrenalinschub, vor lauter Wut hätte er mit der Faust gegen die Wand schlagen können. Oder in Ollies Gesicht. »Ist mir auch schon aufgefallen.« Er machte sich nicht die Mühe, die Kanone wegzustecken, die Ollie immer noch anstarrte. Sollte sich der dürre Zwerg doch Sorgen machen.
Jazz sah wieder auf
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