Bullet Catcher 1: Alex
und Entzücken stürzte. »Es macht mich an.«
Ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, erstarrten aber im nächsten Augenblick, als eine bekannte Szene auf dem kleinen Videofenster links im Bild auftauchte.
»Alex.« Der Anblick des lachenden Gesichts ihrer Schwester verschlug ihr die Sprache. »Sieh doch!«
»Mein Gott!« Alex drückte sie an sich und sah auf den Bildschirm. »Auf nach Key West.« Mit einem Sprung war er vom Bett und hielt ihr die Hand hin. »Sofort.«
Himmel, sie könnte sich in einen Mann verlieben, der in den gleichen Bahnen dachte wie sie.
Ihr Herz machte einen so heftigen Satz, dass sie erstaunt war, dass Alex nichts davon bemerkte.
Liebe? Das war ein Mordsbrocken im täglichen Überlebenskampf.
Erinnerungen tauchten kurz auf und verschwanden wieder wie Wolken im Wind, bevor Jessica sie fassen und ihnen nachgehen konnte. Sie roch an dem grünen Tee in ihrer Tasse, hoffte dass sich ein weiterer Schnipsel in ihrem umnebelten Hirn zeigte.
Aber in ihrem Kopf war ein Durcheinander wie auf einer zerstörten Festplatte.
»Was hat er mir gegeben?«, fragte sie und umklammerte die Tasse, um ihrem Körper ein wenig Wärme zukommen zu lassen. »Ich kann mich kaum noch an meinen Namen erinnern.«
»K.-o.-Tropfen, möchte ich wetten.« Denise schlürfte ihren Tee und sah durch die Schiebetüren auf die dicken violetten Gewitterwolken, die sich über dem Wasser zusammenbrauten.
K.-o.-Tropfen. Rohypnol. Wie war sie jetzt darauf gekommen? Jessica schloss die Augen und suchte nach einer Erinnerung. Anterograde Amnesie … sie hatte mal einen Bericht darüber gemacht. Fast wäre ihr die Tasse aus der Hand gefallen. Das Mittel wurde in Bars benutzt, löschte die Erinnerungen von Stunden oder ganzen Tagen aus.
»Warum bin ich hier?«, fragte sie zum wiederholten Mal, obwohl sie wusste, dass Denise die Antwort entweder nicht kannte oder ihr nicht sagen wollte.
Statt ein weiteres Mal mit den Achseln zu zucken, kniff Denise die Augen zusammen. »Wie wollen Sie an meinen Sohn herankommen?«
Seit sie auf Händen und Füßen aus dem Bad gekrochen war, hatte die Erinnerung daran, dass Denise einen Sohn hatte, sie zweimal gestreift und war wieder verschwunden. Jessica versuchte, sich zu konzentrieren. »Wir brauchen ein Telefon.«
Aber nirgends im Haus fand sich ein Gerät, nur das Ladegerät für ein Handy hing nutzlos an einer Steckdose. Es gab nicht einmal einen Fernseher oder ein Radio. Das Obergeschoss stand auf Pfählen, um vor Sturmfluten geschützt zu sein, die wenigen Räume im Erdgeschoss waren verschlossen. Außerdem war das einzige Transportmittel – das Golfmobil – verschwunden, und Jessica konnte in ihrem Zustand keine größeren Strecken zurücklegen.
Sie sah sich in der Küche um. Obwohl die Räumlichkeiten sehr großzügig und peinlich sauber waren, schlicht, aber teuer eingerichtet, fehlte dem Ganzen jegliche persönliche Note. Graue Fliesen bedeckten die Oberfläche des Tresens und die Wand hinter der Spüle, die Schränke waren weiß, und der Herd sah aus, als wäre er noch nie benutzt worden.
Jessica starrte auf die Herdplatten, und eine Erinnerung regte sich in ihr. Sie hatte gekocht. Das war das Letzte, woran sie sich erinnern konnte. Sie hatte das Abendessen zubereitet … für einen Mann.
Jessica ballte die Fäuste und versuchte, mehr aus ihrem stumpfen Hirn hervorzuholen. Dann zwang sie sich loszulassen, und allmählich traten Bilder hervor.
Sie hatten Wein getrunken … schweren Chateauneuf-du-Pape. Ihren Lieblingswein. Aber etwas war geschehen … etwas hatte die Situation verändert … Sie war aus der Wohnung gestürmt und zum Fahrstuhl gelaufen, ihre Absätze hatten auf dem Garagenboden geklappert.
Dann brach die Erinnerung ab.
Das war am Montag gewesen. Montagabend, sie hatte zwischen den Sendungen zu Abend essen wollen.
»Welcher Tag ist heute?«, fragte Jessica.
Denise wandte sich zu ihr um, unbarmherzig zeigte das Tageslicht die tiefen Falten um ihren Mund. »Montag.«
Der Tee in ihrem Mund brannte plötzlich wie scharfe Säure. Sie hatte eine ganze Woche verloren.
»Bitte erzählen Sie mir alles, was Sie wissen, Denise. Ich muss mich einfach erinnern.«
»Ich weiß nur, dass Sie für eine Story meine Hilfe wollten. Sie wollten Unterlagen und Filme. Wollten meinen Tagesablauf filmen, und ich sollte eine Kamera ins Studio schmuggeln.«
Jessica sah Denise verständnislos an und versuchte krampfhaft, sich an irgendetwas zu erinnern.
Sie schrak zusammen,
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