Bullet Catcher: Jack (German Edition)
den Plan durchziehen wollten; jede Abweichung bedeutete ein zusätzliches Risiko.
»Higgie betrügt mich.«
Lucy verzog keine Miene. »Sind Sie sicher?«
»Ziemlich sicher. Deshalb brauche ich Ihre Hilfe. Ich brauche Gewissheit. Und ich will niemand anderem als Ihnen diese Aufgabe übertragen.« Ihre grauen Augen verengten sich zu silbernen Schlitzen. »Ich möchte, dass Sie ihn beschatten.«
Lucy gelang es, keinerlei Reaktion zu zeigen, trotz des leisen Pfiffs, der an ihr Ohr drang. »Marilee, das ist ein bisschen viel verlangt. Sie bitten mich, ein Mitglied des Obersten Gerichtshofs wegen Ehebruchs auszuspionieren.«
»Ich kann niemand anderem trauen, Lucy. Ein Hinweis an die Presse, und seine Nominierung ist im Eimer. Seine gesamte Karriere könnte zerstört werden, und wir haben beide viel zu hart dafür gearbeitet.«
Lucy übernahm normalerweise keine Ehebruchsfälle. Und bei einer über vierzig Jahre alten Ehe – was sollte es da noch bringen?
Andererseits bekam sie das, wofür sie ohnehin hergekommen war, von Marilee auf dem Silbertablett präsentiert – und zwar ohne dass ein einziger Schuss abgefeuert werden musste.
»Es wäre vermutlich extrem schwierig für uns, so nah an ihn heranzukommen«, sagte sie und wägte dabei jedes Wort genau ab.
In ihrem Ohr meldete sich leise Gabriels Stimme. »Positionen für Plan C einnehmen.«
Der darin bestand, vier weitere Songs abzuwarten und es dann noch einmal zu versuchen. Lucy musste nur ein Taschentuch aus ihrer Handtasche zücken, um das Signal zu geben. Owen stand noch immer auf der Galerie und ließ sie nicht aus den Augen.
»Ist denn etwas geschehen, das Sie zu dieser Annahme gelangen ließ?«
Marilee seufzte und lächelte einem vorbeischlendernden Pärchen zu. Sie wartete, bis die Band zur letzten Strophe von »Moon River« ansetzte, ehe sie sprach.
»Ich gehe stark davon aus, dass er mehrere Gespielinnen hat. Und nicht alle sind …«, Marilee senkte für einen Moment den Blick und drehte dann den riesigen kanariengelben Diamanten an ihrem Finger, »… Dauerverhältnisse. Mehr spontane Bekanntschaften.«
»Higgie steht auf Huren.« Sie erkannte Fletchs Stimme in ihrem Ohr und hörte, wie die anderen leise prusteten.
Diese Beschattung würde eine unfassbare Verschwendung von Ressourcen sein. Aber Marilee öffnete ihr damit genau die Tür, die sie eigentlich mit Waffengewalt hatte stürmen wollen.
Diese Variante was wesentlich einfacher und gefahrloser.
»Wenn Sie das möchten, tue ich, was ich kann«, sagte Lucy. »Aber nur, wenn Sie sicher sind, dass Sie es wirklich wissen wollen. Was haben Sie denn mit den Informationen vor?«
»Das geht nur mich etwas an«, sagte Marilee und streckte das Kinn vor. »Aber was auch immer ich für Konsequenzen daraus ziehe – ich werde ihm auf seinem Weg ins Richteramt keine Steine in den Weg legen. Es ist die Erfüllung seines Lebenstraums. Viele mächtige Männer sind über ihre Schwächen gestolpert. Spessard soll das nicht passieren.«
»Marilee, ich kann ein Mitglied des Obersten Gerichtshofs natürlich nicht beschatten lassen. Die US -Marshals kämen mir sofort auf die Schliche.«
»Wir müssen sie nicht als Leibgarde nehmen«, erwiderte Marilee rasch. »Wenn wir Schutz benötigen, nehmen wir sie normalerweise, weil sie dem Obersten Richtergremium von der Regierung kostenlos zur Verfügung gestellt werden.«
Lucy nickte. »Ich weiß.«
»Es wäre aber genauso gut möglich, eine private Truppe zu beauftragen. Einige der Richter tun das.«
»Sie möchten also, dass wir ihn beschützen und gleichzeitig beschatten?«
»Ich stelle mir vor, Lucy, dass er in den kommenden Wochen so unter Beobachtung steht, dass er gar keine Gelegenheit hat, seinen Schwächen nachzugeben. Sobald er dann gewählt ist, wird ihm hoffentlich selbst klar, dass …«
»Ja«, sagte Lucy. »Das könnte funktionieren.«
Marilee nickte energisch. »Ich denke schon darüber nach, seit Sie so lieb waren, mir ihre Akupunkteurin zu schicken. Ich wusste, dass Sie mir helfen würden. Normalerweise engagieren wir Leibwachen gemäß strenger Leitlinien, aber ich habe erst kürzlich mit ihm darüber gesprochen, und er weiß, dass ich mich hier draußen auf Kiawah Island nicht sicher fühle. Ich kann ihn sicher davon überzeugen, dass wir hier besonderen Schutz brauchen.«
»Ich könnte ein Team einsetzen, das Ihr Anwesen rund um die Uhr bewacht. Er könnte sich nicht mehr so frei bewegen, und falls er doch einmal … streunen ginge,
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