Bullet Catcher: Jack (German Edition)
wusste das besser als Lucy selbst.
Als Higgins Benjamin Franklins Zitat über Mut, Gerechtigkeit und die Schwächen der Menschen einflocht und klar wurde, dass er sich dem Ende seiner Rede näherte, legte Lucy Jack unter dem Tisch eine Hand auf den Oberschenkel und sah ihn fragend an.
»Ich bin bereit«, flüsterte er.
Es war nicht das, was sie hören wollte, trotzdem drückte sie aufmunternd sein Bein.
Seine Augen verengten sich, und sie las die stille Botschaft, die darin stand. Dieser Mann hat kein Recht, über Mut und Gerechtigkeit zu sprechen.
»Ich weiß, wie du dich fühlst.«
Er sah sie überrascht an. »Das bezweifle ich.«
Und doch war es so. Aber jetzt war nicht der passende Moment, um vergangene Dramen aufzuarbeiten, und so hob sie stattdessen ihr Glas, um auf die Organisatoren zu trinken, und stimmte dann in den frenetischen Beifall ein, mit dem die fünfhundert geladenen Gäste ihrem Idol huldigten.
Jetzt oder nie!
Die Bullet Catcher nahmen ihre Positionen an den Ausgängen ein.
Gabriel behielt sämtliche Kamerabilder im Blick.
Vanessa stand am Nachbartisch und küsste Wade – vermutlich um ihm Glück zu wünschen – und schob sich dann durch die Menge in Jacks Nähe; an dieser Stelle sollte sie laut Plan stehen, während Lucy mit Higgins tanzte.
Roman Scott sprach leise mit dem Bandleader, um sich zum hundertsten Mal über die Reihenfolge der Songs zu vergewissern.
Higgins schüttelte noch ein paar Hände, trank einen großen Schluck einer goldenen Flüssigkeit aus einem Whiskeyglas und legte dann seinen Arm um Marilee, um sie zu den ersten Klängen von »Moon River« zur Tanzfläche zu führen.
Alles lief genau nach Plan.
Bis Marilee den Kopf schüttelte, sich zu Higgins lehnte und ihm etwas ins Ohr flüsterte. Dann ließ sie ihn stehen und ging mit gestrafftem Rücken und hochgerecktem Kinn weg.
Zeit für Plan B. Alle wussten, dass Lucy noch nicht mit Higgie tanzen wollte, es war also allen klar, dass sie jetzt für ziemlich genau dreieinhalb Minuten zur Toilette gehen würde.
»Hinter dem Wasserbecken links«, sagte Jack. »Ich warte hier.«
»Zeit für dich, um zu dem Tisch rüberzugehen«, sagte Lucy mit einem kurzen Nicken Richtung Vanessa, »und mit ihr locker ins Gespräch zu kommen.«
»Ich weiß«, erwiderte er, ganz offensichtlich nervös und ungeduldig.
Sie griff zu ihrer Clutch und fuhr beiläufig mit dem Finger über ihre Brosche. Mit einem strengen Blick auf Jack informierte sie das Team über ihren Positionswechsel. »Ich gehe zur Damentoilette, Jack. Entschuldige mich bitte.«
Sie hatte die Tür fast erreicht, als Marilee Higgins auf sie zugeschossen kam. Lucy hatte keine andere Wahl, als stehen zu bleiben und der Frau ins Gesicht zu sehen, deren stechender Blick so gar nicht zu ihrem lässigen Südstaatenstil passte.
»Ich muss mit Ihnen sprechen, Lucy.«
»Natürlich, Marilee. Ist etwas passiert?«
»Nicht hier«, fügte Marilee rasch hinzu und nahm Lucy am Arm.
Doch, hier, dachte Lucy. An dieser Stelle befand sie sich nämlich im Focus der Kameras, die im Zugang zu den Toiletten verborgen waren. Wenn sie sich von hier wegbewegte, würde das Team sie in einer extrem kritischen Phase der Operation aus den Augen verlieren.
»Da ist ein Tisch, an dem wir uns unterhalten können«, schlug Lucy vor. Der Tisch wurde nicht mehr ganz von den Kameras erfasst, aber ein kurzer Blick nach oben zur Galerie verriet ihr, dass Owen Rogers auf seinem angewiesenen Platz stand und sie fest im Auge hatte.
Marilee sah sich beiläufig im Raum um und hob dann den Blick kurz zur Galerie, wie Lucy es getan hatte. Dann bedeutete sie Lucy, ihr zu dem Tisch zu folgen. Sie wirkte locker und entspannt, als wollten sie sich zum Teetrinken zusammensetzen, doch Lucy spürte eine unterschwellige Spannung.
Irgendwas war hier faul.
Lucy berührte kurz ihre Brosche, um sicherzugehen, dass das Mikro eingeschaltet war, und nahm dann Marilee gegenüber Platz. »Hat es etwas mit Ihrer Migräne zu tun?«, fragte sie und musterte voller Besorgnis die Frau des Richters.
»Spessard ist meine Migräne.«
Lucy wich zurück. Sie war so perplex, dass sie im ersten Moment dachte, Marilee hätte einen Scherz gemacht. Aber an ihrem Gesicht konnte sie ablesen, dass es ihr bitterer Ernst war.
»Erzählen Sie mir, was los ist«, sagte Lucy langsam und voller Interesse und ungeachtet der Tatsache, dass die Band schon bei der zweiten Strophe von »Moon River« angekommen war.
Jede Minute zählte, wenn sie
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