Bullet Catcher - St. Claire, R: Bullet Catcher
auch so neugierig, wie sie es geschafft haben, hier einen Regenwald anzulegen.« Sie zog ein Stück Papier aus ihrer Handtasche. »Wir suchen ein hohes weißes Tor.«
Nach ein paar Minuten entdeckten sie ein elektronisch gesteuertes Tor in einer fast drei Meter hohen, verputzten Mauer, daneben ein schlichtes Messingschild mit der Aufschrift »Canopy«. Das Tor war offen, und als sie es passiert hatten, schloss es sich hinter ihnen wie von Geisterhand.
»Sie müssen Kameras oder Bewegungsmelder haben«, sagte er.
Die Straße schlängelte sich zunächst eng dahin, begann dann anzusteigen, bis sie unter dem grünen Dach des Waldes wieder flacher verlief. Der Bewuchs wurde mit jeder Meile dichter, dunkler und grüner. Einspurig erreichte der Weg schließlich eine Anhöhe.
»Wow«, sagte Miranda und beugte sich vor. »Unfassbar.«
Vor ihnen erstreckte sich eine weite Landschaft in allen nur vorstellbaren Grüntönen, wie ein mit Smaragden besticktes Tuch, üppiges Leben inmitten von Trockenheit und Dürre. Kleine Wäldchen sprenkelten die Hügel. Im Zentrum erhoben sich drei imposante terrakottafarbene Bauten, Stufenpyramiden mit Säulentempeln an der Spitze, deren Friese und Pfeiler türkis und golden leuchteten und schimmerten.
»Ein bisschen wie Jurassic Park , nicht wahr?«, bemerkte Adrien.
Nur dass jene Insel eine Filmkulisse war. Das hier war echt. »Es ist eine perfekte Kopie von Palenque. Das große Gebäude mit dem Turm ist der Palast, und dort drüben steht der Tempel der Inschriften.« Sie deutete auf einen kleineren Bau, der ein Stück hinter den anderen lag. »Und der Sonnentempel. Manche halten dieses Ensemble für den Höhepunkt der Maya-Baukunst.« Diese Pracht, diese Größe, diese Kunstfertigkeit! Miranda konnte gar nicht genug davon bekommen. »Es ist sogar noch schöner als die Originalruine, weil die Farben und Edelsteine genauso sind wie vor fast fünfzehnhundert Jahren.«
»Wer ist dieser Typ, dem das alles gehört?«, fragte Adrien. »Diese Anlage muss ein Vermögen gekostet haben.«
»Ich habe keine Ahnung, wer Victor Blake ist«, erwiderte Miranda. »Aber ich kann es gar nicht abwarten, seine Frau kennenzulernen. Was für eine visionäre Kraft und welch profundes Wissen über die Maya für all das nötig gewesen sein müssen!« Sie wandte sich zu ihm um und fügte aufgeregt hinzu: »Sie ist eine Schamanin, hatte ich dir das erzählt?«
»Hast du. Ich kannte mal so jemanden. Bei den Aborigines.«
»War sie eine Heilerin?«
»Es war ein Mann. Die meisten Schamanen sind Männer.«
Ein paar Minuten später kam Doña Taliña Vasquez-Marcesa Blake die elegante Freitreppe ihrer zwanzig Meter hohen Wohnpyramide herabgeschwebt, um ihre Gäste zu begrüßen. Sie war ebenso atemberaubend wie die Welt, die sie sich erschaffen hatte.
Sie trug weiße Leinenhosen und eine hellgelbe Tunika, ihr ebenholzschwarzes Haar war zu einem strengen, glatten Knoten gebunden, und um ihren Hals schimmerten Schmuckstücke aus gehämmertem Silber. Mit ihren ruhigen, anmutigen Bewegungen erinnerte sie Miranda an das Tier, das die Maya mehr als alle anderen verehrten: den Jaguar.
Doña Taliña war die mittelamerikanische Herkunft kaum anzusehen. Angefangen von ihrer makellosen kaffeebraunen Haut, den fein modellierten Wangenknochen und ihren durchdringenden schwarzen Augen bis hin zu den goldenen Schuhen an ihren Füßen war alles an ihr einfach umwerfend. Außerdem wirkte sie mit ihrem schlanken Körper und dem warmen Lächeln erstaunlich jung, sie konnte kaum vierzig sein.
Als sie auf Miranda zuging, wurde ihr einladendes Lächeln geradezu unwiderstehlich. Die beiden Frauen begrüßten sich, als würden sie sich schon ewig kennen.
»Dr. Lang! Endlich!« Sie gurrte die Worte mit hauchigem mexikanischem Akzent und fuhr Miranda so zärtlich über die Wange, dass die Geste abschreckend hätte wirken können, wenn sie nicht so aufrichtig gewesen wäre. »Ich fühle mich zutiefst geehrt, Sie in meinem Haus begrüßen zu dürfen.«
Ihr »Haus« war die Kopie eines tausendfünfhundert Jahre alten Palastes mitsamt den Reproduktionen von Hieroglyphen und Verzierungen an Wänden und gewaltigen Säulen, die den umlaufenden Portikus trugen, überragt von einem vierstöckigen Turm. Dieser Nachbau war unwesentlich kleiner, aber nicht weniger eindrucksvoll als sein Vorbild, den einst Pakal, womöglich der mächtigste König der Maya, errichtet hatte.
»Vielen Dank für die Einladung, Doña Taliña«, erwiderte Miranda und
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