Bullet Catcher - St. Claire, R: Bullet Catcher
drehte sich um, wollte mit ihm reden – doch er war von der Bildfläche verschwunden.
6
Jack Culver blinzelte zu dem dichten Blätterdach empor, das die Hügel der Dutch-Fork-Region in Richland County im US -Bundesstaat South Carolina bedeckte. »Canopy? Was ist das denn?«, fragte er und drückte sich das Handy fester ans Ohr.
»Das ist eine richtig abgefahrene Anlage im kalifornischen Hinterland«, erklärte Fletch.
»Ich bin hier gleich auch in einer richtig abgefahrenen Anlage.« Jack sah auf die fünf Meter hohe Mauer und den Stacheldrahtverhau davor und das riesige Stahltor, das Frauen hinein- aber nicht wieder hinausließ. »Ich meine die Camille-Griffin-Graham-Strafvollzugsanstalt, in der meine Mörderin sitzt.«
»Ich dachte, du hältst sie für unschuldig.«
Jack hielt am Straßenrand, um das Gespräch mit Fletch zu Ende zu führen, ehe er sich am Eingang anmeldete. Sogar wenn man nur in den Krankentrakt wollte, um eine halb tote Insassin zu besuchen, konnte es fast eine Stunde dauern, bis man durchsucht worden war und sich mit mitleidslosen Wärtern und der in die Jahre gekommenen Sekretärin von Anstaltsleiterin McNally herumgeärgert hatte. Das Warten auf Eileen Stafford konnte sich elend lang hinziehen.
Und dann konnte es immer noch passieren, dass sie schlief, wenn man endlich zu ihr vorgedrungen war.
»Mein Bauch sagt mir, dass sie unschuldig ist«, sagte Jack.
»Dein Bauch ist in letzter Zeit ein bisschen unzuverlässig.«
»Ja, vor Gericht würde die Aussage wohl kaum Bestand haben«, räumte Jack ein. »Trotzdem. Ich habe mich vor Ort in Charleston ein wenig in die Geschichte eingearbeitet, und mein Bauch sagt mir ziemlich zuverlässig, dass da weit mehr dahintersteckt, als bislang ans Licht gekommen ist.« Viel mehr. So viel, dass er Fletch gar nicht alles berichten konnte.
»Was hast du herausgefunden?«
»In erster Linie einen großen, dicken Teppich, unter den ein Riesenhaufen Geheimnisse gekehrt worden ist. Und niemanden, der darüber reden will.« Die letzten zehn Tage waren ihm nichts als ausdruckslose Gesichter und Achselzucken begegnet. Was auch immer vor dreißig Jahren rund um den Mordprozess und innerhalb der Polizeibehörde von Charleston geschehen war, jemand legte ganz großen Wert darauf, dass Eileen Stafford es mit sich ins Grab nahm. »Und was treibst du in … wo war das noch gleich?«
»Santa Barbara. Ich bin hier, weil ich eine passende Kandidatin gefunden habe.«
»Bring sie her, Mann. Eileen braucht heute gute Nachrichten. Welche ist es?«
»Miranda Lang.«
»Ist sie bereit, Knochenmark zu spenden?«
Fletch schnaubte. »Sie ahnt noch nicht einmal, dass sie adoptiert ist. Ich bin noch auf der Suche nach dem Tattoo, es muss irgendwo unter der Kleidung sein.«
»Dann zieh sie aus. Darin bist du doch gut.«
»Ich arbeite dran, Kumpel. Im Augenblick braucht sie Perso nenschutz, übers Wochenende, auf einer Werbe veranstaltung für ihr Buch. Ich habe den Job übernommen, weil ich hoffte, meine Suche nach dem Tattoo fortsetzen zu können, aber bis jetzt … «
Fletchs Stimme verstummte, und Jack runzelte die Stirn. »Was ist sie? Blind? Lesbisch? Verheiratet?«
»Nichts von alledem. Genau genommen ist sie schön, klug und sogar zu haben.«
»Wo liegt also das Problem?«
»Das Problem liegt darin, dass uns gerade eine ziemlich scharfsinnige und erstaunlich hellsichtige Frau in die Quere gekommen ist, die mich irgendwie nicht leiden kann. Sie hat Miranda gleich gewarnt, ich hätte Hintergedanken.«
»Männer haben grundsätzlich immer Hintergedanken. Zieh sie um Himmels willen endlich aus und mach dich auf die Suche nach dem Zeichen. In der Zwischenzeit erzähle ich Eileen, dass wir gut vorankommen. Vielleicht kann sie mir noch ein paar Hinweise geben. Derjenige, den sie deckt, lässt sie immer noch glauben, dass er ihrem Kind etwas antun kann. Sie will schon, dass ich ihr helfe, aber sie traut mir nicht so recht zu, dass ich es kann.«
»Hör zu, Kumpel«, sagte Fletch. »Ich mag diese Frau, und ich will ihr Leben nicht grundlos ruinieren. Wenn sie nicht Eileen Staffords Tochter ist, werde ich ihr nicht erzählen, dass sie ein Adoptivkind ist. Aber wenn sie tatsächlich ihrer leiblichen Mutter das Leben retten kann, werde ich es tun. Alles, was deine Freundin beisteuern kann – den Namen der Adoptiveltern, die Stelle, wo sich das Tattoo befindet – macht es mir leichter.«
»Ich sehe zu, dass ich so viel wie möglich aus Eileen herausbekomme.«
»In
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