Bullet Catcher - St. Claire, R: Bullet Catcher
Ordnung, Jack. Ich muss jetzt los.«
Fletch legte auf, und Jack steuerte auf das Gefängnis zu, fest entschlossen, Eileen Stafford noch mehr Informationen zu entlocken. Seine Entschlossenheit verpuffte indessen schlagartig, als er eine Stunde später in das Krankenzimmer trat und die sterbenskranke Eileen im Bett liegen sah, bleich im Gesicht, ohne Haare auf dem Kopf, schlafend wie eine Tote. Im ersten Augenblick dachte er wirklich, sie wäre tot.
Doch dann entdeckte er, wie sich ihr Brustkorb gleichmäßig hob und senkte, zusammen mit dem Zugang für die Chemotherapie unter ihrem Hals.
Jack setzte sich auf das zweite Bett und betrachtete das Gesicht dieser Frau, die von dem herrschenden System schon so lange aufgegeben worden war. Sie war zweifellos ein Justizirrtum, Opfer eines schlampigen und ungeduldigen Staatsanwalts, eines nachlässigen Verteidigers und einer Stadt, die so verarmt und heruntergekommen war, dass es niemanden kümmerte, wenn eine Tippse eine andere erschoss. Sein Instinkt sagte ihm, dass hinter all dem etwas Monströses steckte.
Allerdings konnte er sich auf seinen Instinkt auch nicht immer verlassen.
»Haben Sie sie gefunden?« Beim Klang ihrer fast kindlich dünnen Stimme zuckte Jack zusammen.
»Ich dachte, Sie schlafen.«
»Die nette Aufseherin hat mir gesagt, dass Sie kommen. Die mir immer meinen Joghurt gibt und mich füttert.«
Jack blickte zu der offenen Tür. Hin und wieder ging eine Wärterin vorbei. Die Camp-Camille-Vollzugsanstalt war zwar ein Hochsicherheitsgefängnis, doch niemand rechnete ernsthaft damit, dass eine Krebspatientin in diesem Zustand einen Fluchtversuch wagen würde.
»Man hat Ihnen gesagt, dass ich komme?«, fragte er verwundert nach.
»Man hat nur gesagt, dass Besuch für mich da ist. Und da dachte ich mir, dass Sie es sind.« Sie öffnete die Augen und wandte ihm langsam den Kopf zu. »Sonst besucht mich ja niemand mehr.«
»Haben Sie denn früher mal Besuch bekommen?«
»Ab und zu.« Sie schloss die Augen. Aus den kurzen Gesprächen, die sie bislang gehabt hatten – schon zu Zeiten, als er wegen eines ganz anderen Falls hier gewesen war – , wusste er, dass man Eileen Stafford nicht zu einer Antwort drängen konnte. Sie tat einfach so, als ob sie schliefe.
»Ich möchte Sie etwas fragen, Eileen. Sagt Ihnen der Name Miranda Lang irgendetwas?«
Sie öffnete die Augen für einen kurzen Augenblick, und unter dem Flaum auf ihrem fast kahlen Kopf pulsierte eine Ader. »Ist sie das? Miranda Lang?«
»Womöglich. Die junge Frau scheint nicht zu wissen, dass sie adoptiert ist. Kann das sein?«
»Natürlich. Wenn die Eltern es ihr nicht gesagt haben.«
»Aber sie würde noch das Erkennungszeichen tragen, das Sie ihr mitgegeben haben?«
»Bestimmt.«
»Wo?«
»Ich sagte doch schon, ich war nicht dabei. Ich weiß nur, dass Rebecca es gemacht hat. Das war die Kinderkrankenschwester vom Sapphire Trail.«
»Rebecca wie noch?«
»Am Sapphire Trail wurden keine Nachnamen genannt.«
Natürlich nicht. Das wäre auch zu einfach gewesen.
»Es spielt auch keine Rolle mehr. Wichtig ist nur … sie zu finden … bevor ich sterbe. Dann werden Sie alles verstehen. Die Wahrheit … « Ein Schauder überlief sie.
»Was ist die Wahrheit, Eileen?«
»Finden Sie sie. Bringen Sie sie zu mir. Dann werden Sie begreifen.«
Klar, eins hatte er schon längst begriffen: Er war auf eine Todgeweihte getroffen, die alles tun und sagen würde, um die Tochter zu finden, die ihr das Leben retten konnte.
Sie hatten diese Unterhaltung schon oft geführt, auch als Eileen noch stärker und entschlossener gewesen war. Doch in letzter Zeit hatte sie rasch abgebaut. »Ich muss mehr wissen, um weiterzukommen, Eileen. Ich habe Freunde eingeschaltet, und uns läuft die Zeit davon.«
Sie berührte mit einer Hand den Chemo-Port auf ihrer Brust. »Wem sagen Sie das.«
»Soll ich versuchen, Rebecca ausfindig zu machen?«
Sie öffnete die Augen. »Seien Sie vorsichtig. Er ist zu allem fähig. Sie werden schon sehen.«
»Wer ist er ?«, fragte Jack leise. »Sie müssen mir das sagen.«
»Ich kann nicht. Er würde Sie auch töten.«
Herr im Himmel. Er fuhr sich mit den Fingern durch das Haar und stützte die Ellbogen auf die Knie, um sich näher an die Metallstäbe ihres Krankenbettes zu beugen. »Geben Sie mir einen Hinweis, Eileen. Irgendeinen.«
»Reden Sie mit Willie Gilbert.«
»Wer ist das?«
»Er hat mich verhaftet. Er kennt die Wahrheit.«
»Wer ist er?«
»Sie waren doch auch
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