Bullet Catcher: Wade (German Edition)
ihr Handy heraus und wählte Vanessas Nummer. Und tatsächlich: Mitten im Trubel des Hafens ertönte »Some Enchanted Evening«, digital, als Klingelton.
Vanessa war also doch da! Stella drückte sich das Telefon ans Ohr und drehte sich um, um nach ihr zu suchen. Vanessa hatte das Lied an dem Abend, als sie sich kennengelernt hatten, als Stellas individuellen Anrufton in ihr Handy programmiert, weil es aus Stellas Lieblingsmusical –
»Ja?«, antwortete eine männliche Stimme.
Stella war irritiert.
Ohne nachzudenken, klappte sie das Telefon zu. Ein Irrtum. Wahrscheinlich hatte sie sich vertippt oder nur eingebildet, sie hätte den South-Pacific -Song gehört.
Sie atmete tief durch und wählte erneut … wieder die gleichen Klänge. Sie wirbelte in Richtung der Quelle herum, spähte zwischen den Menschen hindurch und betete inständig dafür, Vanessa mit ihrem iPhone am Ohr zu entdecken. Doch da war nur ein breitschultriger Mann mit Baseball-Kappe, der in diesem Moment zufällig sein Handy aufklappte.
»Ja?«
Dieselbe Stimme.
Hatte dieser Mann Vanessas Telefon? Stella schlich sich durch die Menge, um einen besseren Blick auf ihn zu erhaschen, doch er stand mit dem Rücken zu ihr.
»Wer ist da?«, fragte er.
Wer ist dort ? – hätte sie am liebsten zurückgefragt. Stattdessen blieb sie stumm und wartete, bis er sich zur Seite drehte. Suchte er auch nach Vanessa? Er drückte eine Taste, und in Stellas Handy ertönte das Klicken eines beendeten Anrufs.
Sie beobachtete den Mann, der sich suchend umblickte.
Waren er und Vanessa zusammen gewesen, und er hatte sie verloren?
Einesstandfest:DerTypwarnichtClive.UnderwarauchnichtdieSahneschnitte,dieimHafenvonSt.KittsnachVanessagefragthatte,dermitdenkaribikblauenAugenunddemSüdstaatenakzent,derjedesMädchen meschugge machenwürde.Nein,dieserKerlhierhatteeinenStiernackenundfleischigeSchultern.
Aber was viel wichtiger war: Er hatte Vanessas Telefon.
Flink für einen so großen Menschen schlängelte er sich durch die Menge und machte es Stella schwer, hinterherzukommen. Dennoch folgte sie ihm unbeirrt, trotz des unhandlichen Gepäcks, das sie hinter sich herziehen musste. Sie war fest entschlossen herauszufinden, was da los war. Vielleicht würde er sie sogar zu Vanessa führen.
Als er in den Schatten hinter ein paar Straßenständen trat, etwas abseits der Touristenflut, folgte sie ihm, zog jedoch ihren Hut ab. Sie wollte nicht, dass er sie bemerkte, ehe sie wusste, was um alles in der Welt er mit Vanessas Telefon vorhatte.
Sie versuchte, sein Gesicht zu sehen, doch er hatte die Kappe tief in die Stirn gezogen und trug eine Sonnenbrille. Zudem stand er jetzt im Schatten. Er stellte einen Fuß auf eine Holzbank, zog ein Handy heraus, klappte es auf und wählte.
Das war nicht Vanessas Gerät. Ein iPhone konnte man nicht aufklappen.
Mit neuem Mut zerrte Stella ihre Koffer um die Bank herum und setzte sich, was ihr einen gleichgültigen Blick von ihm einbrachte, den sie nicht zu erwidern wagte. Sie fächelte sich mit ihrem Hut Luft zu und gab ganz die unter der Hitze leidende alte Oma, die sie schließlich auch war.
Er wandte sich zum Sprechen ab, dennoch bekam sie halbwegs mit, was er sagte. »Sie ist nicht da.«
Der Typ suchte also auch nach Vanessa! Stella bemühte sich, keine Reaktion zu zeigen, und neigte sich verstohlen ein wenig nach links, um besser hören zu können.
»Es muss jetzt endlich Schluss sein mit diesem Katz-und-Maus-Spiel. Sie könnte uns alles vermasseln. Machen Sie ihm ein Angebot: eine Million für jeden der beiden. Schauen Sie, was bei dem Blödmann wirklich zieht – Liebe oder Geld. Ich vermute mal, es wird das Geld sein, und er wird uns alle beide auf dem Silbertablett servieren. Aber bis wir sie und ihn haben, ist das Problem nicht gelöst.«
Sie und ihn? Vanessa? Wen sonst … Der Fremde hatte schließlich ihr Telefon, oder nicht?
Verstohlen fischte sie ihr Handy aus der Tasche und tippte sorgfältig Vanessas Nummer ein.
Sofort ertönte »Some Enchanted Evening« kaum einen halben Meter neben ihr. Der Typ förderte das iPhone zutage und beendete den Anrufton. Dann ging er zu einem Mülleimer, ließ es hineinfallen und steuerte auf den Taxistand am Ende des Kais zu.
Sich in fremder Leute Angelegenheiten einzumischen war schon immer eine dumme Marotte von Stella gewesen, aber sie war inzwischen zu alt, um daran etwas zu ändern. Sie ignorierte Sauls laute Warnung in ihrem Kopf und die aufgestellten Härchen in ihrem Nacken und
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