Bullet Catcher: Wade (German Edition)
einer Bar bekommen, die Clive in den letzten Wochen besucht hat.« Sie riss Stella das Blatt aus der Hand. »Und ehrlich gesagt, geht dich das nichts an.«
»Süße, ich bin eine jüdische Großmutter aus Fort Lauderdale. Es gibt nichts, das mich nichts angeht. Warum sollte dir jemand so eine abstruse Botschaft geben?«
»Ich habe mit vielen Menschen über Clive gesprochen – einer davon möchte mir eben helfen.«
»Und warum kommt er dann nicht einfach zu dir und spricht dich an?«
Darüber hatte Vanessa auch schon nachgedacht. »Weil es immer noch Leute auf diesem Planeten gibt, für die es ein Problem ist, schwul oder mit Schwulen befreundet zu sein. Derjenige, der mir den Zettel hat zukommen lassen, wollte Diskretion wahren oder glaubt, dass Clive Wert darauf legt, Diskretion zu wahren.«
Stella verschränkte ihre Arme und lehnte sich in den Türrahmen. »Okay. Du hast gewonnen. Wann brechen wir auf?«
Vanessa unterdrückte ein Lachen. »Nein.«
»Du kannst das nicht allein durchziehen. Ich kann genauso mit leichtem Gepäck losziehen wie du. Okay, ich bin über sechzig.« Auf Vanessas Blick hin zuckte sie die Achseln. »Na gut, über siebzig. Ich weiß, dass du über die Inseln fegst wie eine Dampframme auf Amphetaminen, aber ich bin in meinem Leben viel gereist. Ich kann dir eine Hilfe sein.«
»Ich möchte deine Hilfe nicht.« Stella weitete gekränkt die Augen. »Es tut mir leid, Stella.« Vanessa nahm sie bei der Hand. »Ich hatte einen unglaublich beschissenen Tag, ich hab’s wirklich nicht böse gemeint, aber es tut mir leid.«
»Ist schon okay.« Stella tätschelte Vanessas Wange und rückte ihre Brille zurecht, eine Geste, die Vanessa inzwischen so liebenswert und vertraut vorkam, dass sie das schlechte Gewissen umso mehr drückte. »Ich habe eine Tochter. Sie wird auch manchmal zickig, wenn sie eine Weile keinen Sex hatte.«
Vanessa wusste nicht, ob sie lachen oder die aufsteigenden Tränen wegzwinkern sollte. »Deine Tochter kann von Glück reden, dass sie dich hat, Stell.« Der Gedanke machte ihr die Brust eng. Stella war das, was man sich unter einer echten Mutter vorstellte, keine böse Stiefmutter wie aus dem Märchenbuch, die ihr Kind bei der ersten Gelegenheit im Stich ließ, oder Psychopathin, die ihre Kinder einfach verkaufte und sich ihrer erst im Angesicht des Todes wieder erinnerte.
Stella nahm Vanessa die Brille ab. »Du solltest dir wirklich die Augen lasern lassen, dann musst du dein shaina maidel nicht mehr verstecken«, zwitscherte sie in mühsam fröhlichem Ton, der ihre verletzten Gefühle kaum verbarg. »Das bedeutet ›hübsches Gesicht‹ auf Jiddisch.«
Vanessas Schultern sanken unter der Last der ihr entgegengebrachten Freundlichkeit. »Ich verdiene deine Freundschaft gar nicht, Stella.«
»So ein Unsinn. Jeder verdient Freundschaft.«
»Sosehr ich dein Angebot schätze – ich werde allein gehen. Ich habe deine Handynummer, der Empfang hier ist zwar ziemlich eingeschränkt, aber ich werde dich anrufen. Und du kannst mich auch jederzeit anrufen. Du weißt ja, ich habe als deinen persönlichen Anrufton dein Lieblingslied programmiert. Wenn ich also Some Enchanted Evening höre, weiß ich, dass du es bist, und geh dran.« Vanessa lächelte. »Und versprochen, wenn ich Clive gefunden habe, werde ich es dich auf jeden Fall sofort wissen lassen.«
Stella nickte mit leisem Seufzen. »Also gut.« Sie trat zur Seite, damit Vanessa ihre Tasche fertig packen konnte. »Wie war noch mal sein Name?«
»Bitte?«
»Na, wie heißt der mit den elf Punkten?«
Vanessa zog den Reißverschluss zu und schwang sich die Tasche über die Schulter. »Ach, weiß ich nicht mehr, aber er ist sowieso nicht mein Typ.« Sie nahm die Schlüsselkarte von der Kommode und reichte sie Stella. »Hier.«
»Danke. Ich könnte ja für ein paar Tage hier einziehen«, überlegte Stella laut. »Deine Kabine ist größer als meine.«
»Fühl dich wie zu Hause.« Vanessa zögerte einen Moment, ehe sie die Arme ausstreckte und den Dämon niederkämpfte, der Gesten wie diese bei ihr immer unbeholfen und steif wirken ließ. Auch das war ein Erbe ihrer Stiefmutter Mary Louise Porter. »Und vielen Dank für alles.«
Stella nahm die Umarmung an und erwiderte sie mit der zehnfachen Intensität. »Wann seh ich dich wieder?«
»Falls ich mich nicht schon auf einem der Landgänge in Dominica oder Guadeloupe zurückmelde, steige ich spätestens im Hafen von Gustavia wieder zu. Ehrenwort.«
Stella seufzte und
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