Bullet Catcher: Wade (German Edition)
nicht brauchen, sie wäre nur ein paar Tage weg.
Falls sie Clive nicht fände, würde sie einen Inselhopper nehmen und den Hafen anfliegen, in dem das Schiff gerade vor Anker lag. Sie griff zu dem Flyer mit der Reiseroute, der auf der Kommode lag, und sah sich die Pläne für die folgenden Tage an. St. Maarten – dort könnte sie ihr Suche fortsetzen. Danach kam St. Barts. Aber was, wenn sie erfolglos blieb?
Sie würde sich schon zurechtfinden. So wie sie sich mit fünfzehn in den Straßen von New York City zurechtgefunden hatte und mit fünfundzwanzig in den Schachzügen der Wall Street.
Vanessa hielt einen Augenblick inne und zog den einzigen greifbaren Hinweis aus der Tasche, den sie bislang über Clives Verbleiben hatte. Der Mann, den du suchst, ist auf Nevis .
War daran irgendetwas merkwürdig? Nein. Sie hatte nicht nur in der Bar nach Clive gefragt, sondern in den letzten paar Tagen mit mindestens vierzig Leuten gesprochen.
»Vanessa!« Stella klopfte an die Kabinentür. »Hast du ihn gefunden?«
Vanessa durchquerte den Raum und öffnete die Tür. »Nein, noch nicht.« Sie winkte ihre Besucherin herein. »Aber ich habe gehört, dass er auf Nevis sein soll. Also fahre ich jetzt dorthin, um ihn zu suchen.«
Stella blickte stirnrunzelnd auf die halb gepackte Tasche. »Allein?«
»Ja. Ich verpasse nur ein oder zwei Tage der Kreuzfahrt.«
»Das ist aber gefährlich.«
Vanessa schenkte ihr einen überraschten Blick, ehe sie sich wieder dem Packen widmete. »Und das sagt die Vorsitzende des Frauen-sollten-allein-reisen-Clubs? Wir reden über Nevis, nicht über Afghanistan. Keine Sorge.«
Stella warf ihren orangefarbenen Hut auf das Bett, als wäre er eine Frisbee-Scheibe. »Mir gefällt das nicht. Es ist eine Sache, auf einer Kreuzfahrt zu sein, im Hotel oder meinetwegen auf einem Tagesausflug, aber so ganz ohne Reservierungen unterwegs zu sein – du weißt doch gar nicht, was du dort vorfindest.«
»Clive, hoffe ich.«
»Ich finde, du solltest an Bord bleiben und weiter mit den Leuten reden. Das ist ein prima Ansatz, außerdem kannst du dich bei der Gelegenheit ein bisschen von dem ganzen Börsentrara erholen. Und schließlich«, fügte Stella in bedeutungsschwangerem Ton hinzu, »weiß man nie, wen man noch so kennenlernt.«
»Ich bin nicht in die Karibik gekommen, um Urlaub zu machen oder einen Mann aufzugabeln … wobei … «
»Was?« Mit vor Neugier blitzenden Augen ließ Stella sich auf das Bett plumpsen. »Hast du jemanden kennengelernt?«
Als ob ihr das je passiert wäre. »Ja, aber nicht so.«
»Warum? Ist er hässlich? Fett? Arm? Wie sieht er aus, auf einer Skala von eins bis zehn?«
»Elf. Aber er bringt … Probleme mit sich.«
»Süße, wir alle haben« – sie hob den Tragegurt der offenen Reisetasche an – »unser Päckchen zu tragen.«
»Das ist mehr als ein Päckchen, fürchte ich.« Mördermutter, geheime Schwestern. Ein Monsterpaket.
»Hast du die Brille abgezogen, damit er deine schönen Augen sehen konnte?«
»Nein, ich habe Brille und Klamotten angelassen. Stattdessen habe ich mir einen Drink übergeschüttet.«
Stella seufzte frustriert. »Wie heißt er? Macht er hier Urlaub?«
Vanessa machte eine fuchtelnde Handbewegung, als wollte sie Stella verscheuchen. »Er ist beruflich hier. Eine lange Geschichte. Hör zu, kann ich dir meinen Schlüssel geben, damit du ab und zu nach meiner Kabine schaust? Wir treffen uns dann auf St. Maarten wieder.«
»Du sagst besser dem Kapitän oder jemandem von der Crew Bescheid. Oder noch besser, dem Schiffseigner. Der ist nämlich auch an Bord. Hast du ihn schon gesehen?« Sie griff nach ihrem Hut und fächelte sich Luft zu. »Olala. Allerdings verheiratet mit einer vollbusigen kleinen Italienerin mit einem Kind am Rockzipfel und einem im Bauch. Ich habe mich schon mit ihr unterhalten. Wusstest du, dass eines dieser Schiffe … «
Vanessa ließ sie plappern, während sie ins Bad ging und Toilettenartikel und Kosmetika zusammensuchte. Sie überlegte, wann sie die Barkasse nach Basseterre zurück nehmen musste, um die Nachmittagsfähre nach Nevis noch zu erwischen.
Plötzlich fiel ihr auf, dass Stella verstummt war und sie nicht mehr allein im Bad stand. Verdammt noch mal, diese Frau war so was von neugierig. Sie war süß und meinte es gut, ja, aber gleichzeitig war sie unglaublich aufdringlich.
»Das nennst du eine ernst zu nehmende Information? Einen Schmierzettel mit ein paar schlampig hingekritzelten Worten?«
»Ich hab ihn in
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