Bullet Catcher: Wade (German Edition)
hielt einen Eispickel, der im Mondlicht schimmerte.
»Was für ein Trick?«
»Nun, man könnte es als unerlaubtes Entfernen einer Glasschiebetür aus ihrem vorgesehenen Schienensystem bezeichnen.«
Zurück an der Tür, ließ er mit geschlossenen Augen die Hand über die untere Laufschiene gleiten, während er die Zungenspitze zwischen den Lippen hervorlugen ließ. »Oder anders ausgedrückt: die Tür aushebeln.«
»Haben Sie das bei den Marines gelernt?«
»Nein. Meine Mom hat mich gern mal ausgeschlossen, wenn ich abends zu spät heimkam.« Er sah auf und warf ihr ein verschmitztes Grinsen zu, das ihren Herzschlag noch mehr beschleunigte. »Das kam oft vor.«
Darauf hätte sie gewettet. Sie konnte sich gut vorstellen, wie ihn all die berühmt-berüchtigten Schönheiten des Südens mit Beschlag belegten, und zwar bis weit nach Mitternacht.
»Es sei denn« – er fuhr weiter über die Scheibe – »diese Luxushütte für zwei Riesen die Nacht wurde ausgestattet mit diesem … « Er ging auf die Knie und beugte sich so weit vornüber, dass sie seinen Hintern in den Jeans sehen konnte. »… Yamamoto-System, das kürzlich erst patentiert wurde, um genau solche kriminellen Tricks unmöglich zu machen. Wenn, dann heißt das aber nur, dass ich zu … « Er wischte sich eine Hand am Oberschenkel ab und wiederholte den Versuch. »… rabiateren Mitteln greifen muss.«
Es gab ein rumpelndes Geräusch, dann knackte etwas, und schließlich hob Wade die Tür aus dem Rahmen.
Die Tür fest in der Hand, stand er auf. »Nach Ihnen.«
Sie nickte bewundernd, während sie die Sichtblende zur Seite schob. »Nicht schlecht.« Alles andere als schlecht .
Der Sichtschutz glitt lautlos beiseite, und sie trat in einen dunklen, klimatisierten Raum. Im nächsten Moment hatte Wade die Tür bereits wieder eingesetzt.
»Was auch immer Sie tun, schalten Sie kein Licht an«, warnte er, machte die Tür hinter sich zu und verschloss sie. »Nur für den Fall, dass die Hotel-Security noch mal vorbeikommt, während wir uns hier umsehen.«
»Sie haben nicht zufällig eine Taschenlampe dabei?«, fragte Vanessa.
»Nein, aber Sekunde … « Er bog um eine Ecke in die Küche. »Die Kühlschrankbeleuchtung wird uns genügen.«
Weiches Licht ergoss sich in den Raum, der sich als großer, hoher Salon erwies, ausgestattet im eleganten Stil der Four-Seasons-Hotels, mit schimmerndem Marmorboden und Edelholzvertäfelungen.
Hoffnung keimte in ihr auf, als ihr überraschter Blick auf allerlei Lebenszeichen im Raum fiel. Auf dem Couchtisch eine aufgeschlagene Zeitung, neben dem Sofa ein Paar vertraut aussehende Flipflops, eine halb leere Flasche Wein, ein Glas und ein von Kippen überquellender Aschenbecher.
UnddannderultimativeHinweisaufCliveEasterbrook:einpsychologischerRatgeber.DerTitel: Wie verstehe ich mich selbst .
»Er ist hier«, flüsterte sie. »Zumindest war er hier.« Sie nahm das Buch und tippte an den widerlichen Aschenbecher. »Er läuft nur Marathon und raucht nur, wenn er hoffnungslos depressiv ist. Außerdem ist er abhängig von Psycho-Ratgebern.« Bei dem Wein handelte es sich um einen Merlot, in dem Clive bevorzugt seine Seelenpein ertränkte, dabei die Stimme einer Bluessängerin vom iPod in den Ohren.
Wie schlimm war sein Absturz diesmal gewesen? Sie blickte sich erneut um und stellte fest, dass die Mahagoniverzierungen mit einer dicken Staubschicht überzogen waren; auf dem Boden lagen Krümel und klebten die eingetrockneten Tropfen irgendeiner Flüssigkeit. »Seltsam, dass hier noch keiner sauber gemacht hat.«
Wade kam schon wieder vom Haupteingang zurück. »Das liegt an der ›Bitte-nicht-stören‹-Verriegelung«, sagte er.
»Henry meinte, Clive sei seit etwa einer Woche nicht mehr am Pool gewesen.« Vanessa griff zur Zeitung und hielt sie ins Licht, um das Datum zu entziffern. »Würden die das Cottage wirklich eine Woche lang völlig unbeachtet lassen? Haben die denn keine Angst, dass hier jemand … «
»Vanessa, kommen Sie hier rein.«
… gestorben war?
Sie versuchte, den Gedanken zu verdrängen. Die Zeitung in der Hand folgte sie Wades Stimme durch einen kurzen Flur. Sie musste sich zwingen, durch die Tür zu treten, und rechnete mit dem Schlimmsten.
Vor ihr öffnete sich einfach nur ein furchtbar unaufgeräumtes Schlafzimmer, vom gedämpften Schein der Wandschrankbeleuchtung schwach erhellt.
»Was ist?«, fragte sie. »Haben Sie was gefunden?«
Die Schubladen waren aufgezogen, manche waren voll zerknüllter
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