Bullet Catcher: Wade (German Edition)
mir eins«, sagte er und schob die Messerklinge unter die Haut der Frucht. »Ich kann ja verstehen, wie du deiner leiblichen Mutter gegenüber empfindest; sie sitzt im Gefängnis, okay. Aber bist du denn nicht neugierig auf deine beiden Schwestern?«
Ohne den Blick vom Wasser zu nehmen, sagte sie: »Nein.« Wortlos stand sie auf. »Ich gehe jetzt schwimmen.«
Wade hielt sie am Handgelenk fest und zog sie wieder zu sich herunter. »Ich will das jetzt wissen.«
»Es geht dich nichts an«, gab sie zurück. »Ich habe dich nicht über deine Familie ausgefragt, also frag mich nicht über meine aus. Wir sind schließlich kein Paar. Wir sind so was wie eine … Schicksalsgemeinschaft.«
»Nun, vielleicht hilft es dem Schicksal auf die Sprünge, wenn ich dir von meiner Familie erzähle«, sagte er gedehnt. »Ich wurde von meiner Mutter und meiner Großmutter großgezogen, und ich habe zwei jüngere Schwestern, Bonnie Sue und Becky Lee.« Er grinste diebisch. »Zu Hause bin ich als Billy Wade bekannt.«
Ihre Miene deutete fast ein Schmunzeln an. »Billy Wade?«
»William Wade Cordell junior.«
»Und wo ist William Wade Cordell senior?«
»Er wurde getötet, als ich noch klein war. Als meine Mom mit Becky schwanger war.«
Sie zögerte, offensichtlich hin- und hergerissen zwischen Neugier und Abwehr. »Wie?«
Er griff nach einem Stück Papaya und hielt es ihr entgegen. Sie nahm es mit der Hand und verwehrte ihm damit das Vergnügen, sie erneut zu füttern. Er wartete, bis sie gekaut und geschluckt hatte.
»Er wurde erschossen.«
»Wirklich? Mein Vater auch. Wie ist es passiert?«
»Ein Jagdunfall. Mein nichtsnutziger Onkel hat ihn für einen Hirsch gehalten.« Er schüttelte den Kopf und wünschte sich wie so oft, er könnte wenigstens einen gewissen Groll gegen seinen Onkel Gil aufbieten. »Es war ein Unfall, schlicht und ergreifend, und der gute alte Gil leidet bis heute darunter.«
»Du machst Witze. Und trotzdem … «, sie deutete auf die Pistole, die direkt neben ihm lag, mitsamt dem Halfter, das er den ganzen Tag am Gürtel getragen hatte, »… läufst du mit einer Waffe herum?«
»Die Waffe hat mich schon immer begleitet, Vanessa, welchen Job ich auch gerade hatte, sie gehört einfach dazu. Der Tod meines Vaters war ein Unfall. Er war einfach zur falschen Zeit am falschen Ort.«
»Mein Dad war auch zur falschen Zeit am falschen Ort. Aber es war kein Unfall. Er wurde an einer Raststätte in Baltimore kaltblütig von einem Autodieb ermordet.« Sie sah ihn aus verengten Augen vorwurfsvoll an. »Und rate mal, was er da gemacht hat.«
Wade schüttelte den Kopf.
»Er war auf dem Heimweg von Columbia in South Carolina, wo er Eileen Stafford besucht hatte.« Auf seinen irritierten Blick hin nickte sie. » Ihretwegen musste mein Vater sterben.«
»Nein, dein Vater musste sterben, weil irgendein hirnverbrannter Junkie ausgerastet ist und zufällig niemand anders in der Nähe war. Das kannst du der Waffe nicht vorwerfen und auch nicht Eileen Stafford.«
Sie wich zurück. »Ich kann ja wohl selbst bestimmen, wem ich was vorwerfe. Mein Vater wäre nicht dort gewesen, wenn sie nicht gewesen wäre. Wir hatten zehn Jahre zuvor von ihr erfahren – und wir hatten uns beide eigentlich schon darauf geeinigt, dass sie für uns nicht existierte. Und trotzdem musste er unbedingt zu ihr fahren.«
»Warum?«
»Das hat er mir nie erzählt. Aber ich denke … « Sie bückte sich, nahm eine Handvoll Sand und sah zu, wie ihr die Körnchen durch die Finger rieselten. »Ich habe das nach seinem Tod rekonstruiert, indem ich sein Büro durchwühlt und seine Telefonate durchgesehen habe. Ich denke, er wollte mit ihr über ihren Prozess reden. Über das, was ich dazu herausgefunden hatte.«
»Was hattest du denn herausgefunden?«
Sie schüttelte den restlichen Sand aus ihrer Hand. »Genug, um sicherzugehen, dass sie eine Mörderin ist.«
»War das auch die Ansicht deines Vaters, nachdem er mit ihr gesprochen hatte?«
»Ich habe keinen Schimmer, was er nach dem Gespräch von ihr gedacht hat. Tot konnte er es mir leider nicht mehr erzählen.« Sie sprang auf die Füße.
Wade stand im Nu ebenfalls auf den Beinen und legte die Arme um sie. »Entschuldige, Vanessa. Es tut mir so leid, dass dein Vater erschossen wurde, und es tut mir leid, dass Eileen Stafford dabei eine Rolle gespielt hat.«
»Ja, ja, schon gut.« Sie versuchte, sich zu entziehen, doch diesmal ließ er es nicht zu. »Trotzdem hast du offenbar kein Problem damit,
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