Burakkuboru: Die kleine süsse Überraschung (German Edition)

…
eigentlich genau so wenig, wie sie … also blieb uns nichts weiter, als eine
„Schneeballschlacht“ zu veranstalten, was ja auch eine Menge Vergnügen bereiten
kann…
     
      Wie beließen das dreidimensionale Schach bei dieser einer
Runde, und Violence führte mich als nächstes zu der vierdimensionalen Version
des Spieles: Zwei Humanoide mit großen Köpfen saßen sich gegenüber auf bequemen
Thronsesseln und manipulierten gedanklich das Innere eines kubikmetergroßen Schachraums.
Der kleine Unterschied zu dem „normalen“ Drei-Sechzehn-Schach bestand lediglich
darin, dass jeder Gegner zu jedem beliebigen Spielstand der Vergangenheit
zurückkehren konnte, um „es sich anders zu überlegen“. Über dem Kubus in der
Luft hing ein Kugelartiges Gebilde, das mich an einen eingefrorenen Urknall
erinnerte, tatsächlich aber die Baumdarstellung des Spielstands war. Jedes „es
sich anders überlegen“ bekam einen eigenen Ast und endete mit einer
kubikmillimeterkleinen Kopie des Stands, bei dem aufgehört wurde
weiterzuspielen. Die kleinen Kuben waren schwarz oder weiß, je nach dem, welche
Farbe „dran“ war. Der aktuelle, gerade gespielter Stand leuchtete, so dass
jeder nachvollziehen konnte (oder auch nicht), wo in der vierten Dimension gerade
gespielt wird… Das Spiel verunsicherte mich, weil ich keinen Sinn erkennen
konnte, also fragte ich Violence:
     
    .Wann hat man bei diesem Spiel gewonnen?
    _.Noch niemals! Das ist die erste Runde überhaupt.
    .Wie lange spielen die schon?
    _.Etwas um die drei Jahre!?
    .Wie? Hatten die noch vor der Party angefangen?
    _.Jep.
    .Oho. Und … wann ist das Spiel zu Ende? Was muss passieren?
    _.Ich weiß es nicht. Ich vermute, das versuchen die Beiden
herauszufinden.
    .Du machst Witze!?
    _.Ich gehe davon aus, dass am Ende dieser Feier einer der
Beiden - und dem Spielstand nach zu urteilen, wird das der Weiße sein - sich
ergibt. Ich denke nicht, dass die Beiden eine neue Spielversion erfunden haben
– das ist eher wie Briefmarkensammeln: entweder macht man das ein Leben lang,
oder man gibt es irgendwann auf, verschenkt die Sammlung oder legt sie „auf
Eis“… Aber falls dich die Idee des Spielens in der vierten Dimension
interessiert, das da wäre eher etwas für dich.
     
      Ihre Augen bezeigten die Mitte der Partykugel, die ich mir
lange Zeit vermieden habe anzuschauen. Anscheinend war dieses zuckende
Labyrinth doch kein Fehler im System und kein Versuch, die Gäste
einzuschüchtern, sondern ein „stinknormales“, vierdimensionales Spiel.
     
    _.Ob man es glaubt oder nicht, es gibt Menschen, die gerne
die Zeit zurückdrehen würden, um die eigenen Fehler zu korrigieren. Dieser
Wunsch ist vor vier hundert Jahren zu einer theoretischen Grundlage von … mehr,
als der Hälfte der heutigen Spiele mit nicht gerader Zeitrechnung geworden. Was
sich in diesen Gängen abspielt, ist prinzipiell ein Jagdspiel, bei dem am Ende
einer Runde nur Einer übrig bleiben soll; nur dass die ersten zehn Minuten
jeder Spieler die Zeit zurückdrehen kann, um sich eine bessere Position für den
zweiten „geraden“ Teil der Runde zu finden. Dreht ein Spieler die Zeit zurück,
ist er der Einzige, der von dem Vorgang weiß. Für einen Spieler dauern die
ersten zehn Minuten normalerweise Stunden, das gesamte Spiel dauert Tage –
deswegen läuft es im Schnelldurchlauf… Wenn alle glauben, die beste Position
gefunden zu haben, beginnt der zweite Teil um „Leben und Tod“.
    .Womit schießen die?
    _.Jeder Augen-Blick ist tödlich.
    .Hm… Und … wie kommst du darauf, das dieses Spiel etwas für
mich wäre?
    _.Ganz einfach, James – weil du es gerade spielst!
     
      Nach nur einem Augenblick verlangsamte sich das Spiel für
mich bis zur normalen Geschwindigkeit, und ich konnte jeden einzelnen Spieler
beobachten, wie sie wachsam, fast paranoid durch die Gänge schleichen, um einen
strategisch makellosen Ausgangspunkt zu erhaschen. Im ägyptischen Sektor, in
einem Gang mit aufgemalten Kamellen, die am Nil rasten, fand ich bald den
Scheitel meines Doppelgängers: Er lief rasch einen Gang herunter, um am Ende an
der Kreuzung sich an die Wand zu lehnen, nach Luft zu schnappen, auf die Uhr zu
schauen, einen Augenblick abzuwarten und die Kreuzung genau in dem Moment zu
überqueren, als einer seiner Rivalen den quer stehenden Gang mit aufgemalten
Pyramiden an einer anderen Kreuzung verließ. Er wiederholte den Vorgang weitere
zwei Kreuzungen, um an der nächsten Abzweigung ebenfalls vorsichtig