Burakkuboru: Die kleine süsse Überraschung (German Edition)
der besagten Ecke beobachtend stehen.
Ich hatte tatsächlich Zweifel, ob ich weiter gehen soll.
Die Windböen und der bedrohlicher, pechfarbener Himmel sagten mir … scheinbar,
ich sollte das Unwetter lieber zuhause überdauern, in Sicherheit. Ich machte
einen Schritt zurück und versteckte meinen Leib hinter der Ecke. Während dessen
kam die Wolke immer näher. Ich konnte das vom Himmel fallende Wasser
vermeintlich riechen, ferner mutmaßlich sehen. Ich zoomte gedanklich mitten ins
Herz der Wolke, dahin, von wo die Schwärze sich auszubreiten schien.
Das ist doch nur eine Wolke. Gut, die sieht schrecklich
aus, ja Furcht erregend, entsetzlich und beängstigend. Aber muss man wirklich
Angst vor ihr haben? Gut, ich könnte von einem Blitz erschlagen werden oder in
den Regenfluten umkommen, andererseits könnte auch mein Haus einstürzen, weil
das Fundament von dem Wasser weggewischt wird. Irgendetwas Fundamentales machte
mir Angst um mein Leben. Mein Unterbewusstsein wirkte lähmend auf meine
Gliedmassen. Ich drehte mich weg von der Wolke, so dass ich nun komplett von
dem Haus vor Wind geschützt wurde. Ab dem Moment schaltete sich eine Zeitlupe
ein.
Erster Auslöser der Verlangsamung der Zeit, war ein
kleiner Schock, ein Schreck, der zustande kam, weil ein Mensch in nicht mehr
als zwei Metern Entfernung fast auf mich zuging. Das ist eigentlich eine ganz
natürliche Reaktion, die mir persönlich fast täglich passiert. Meist atmet man
aber aus, oft richtig demonstrativ, wenn man die Potentielle Gefahr für harmlos
befunden hat. Ich tat dies nicht. Ich verharrte in derselben Position reglos
die ganzen Minuten lang, so lang der Mensch im Zeitlupentempo an mir
vorbeiging. Warum?
Warum.
Nun ja. Warum. Es war eine Frau. Sie ging gegen den Wind.
Selbstbewusst. Sorglos. Sie lächelte. Sie lächelte mich an. Ihre Haare wehten,
wie tausende Flaggen. Hochmutig. Stolz. Ihre Augen glänzten. Sie riefen in den
Kampf: „Steh auf, wehr dich. Bleib dicht hinter mir“. Ihre Haut glühte. Bereit
gegen jeden einzelnen Tropfen Regen anzukommen. Sie strahlte eine patriotische
Hymne aus. Das war zwar unfassbar eindrucksvoll, doch das war nicht das „Warum“,
warum ich erstarrte. Das „Warum“ war, und das kann ich nur schreiend erzählen,
DAS
WAR SIE, DAS WAR DIE FRAU AUS MEINEM TRAUM!!!!!!
Das war sie. Sie ging an mir vorbei, und sie lächelte mich
an. Ich konnte es nicht fassen. Ich hatte das Gefühl, ich wäre das bereits
gewöhnt. Ich wäre es bereits gewöhnt, dass sie mich anlächelte und an mir
vorbeiging. Und in dem Moment, wo sie an mir vorbeiging, hatte ich nur zwei
Möglichkeiten: entweder in Ohnmacht fallen, oder dicht hinter ihr bleiben.
Meine Füße, die sich noch vor drei Sekunden weigerten, sich von der Stelle zu
bewegen, brauchten nun nicht einmal ein Befehl von mir. Sie drehten mich um die
Ecke und folgten den Schritten der Frau. Ich konnte nichts tun, außer meinen
Füßen folgen.
Ich dachte, ich frage mich lieber etwas später, wie ich
darauf kam, dass es die Frau aus meinem Traum sei, wichtig in diesem Moment war
das Genießen aller Empfindungen und Verwunderungen über die Situation. Und beim
Genießen lasse ich mir meistens Zeit. Es gibt, wie ich finde, nur wenige
Sachen, die deprimierender sind, als sich beim Genießen zu beeilen. Deswegen
räume ich mir bewusst Zeit ein, ich vereinbare Termine mit mir selbst, wenn es
ums Genießen geht, weil man aus Zeitmangel oft dazu neigt, diesen schöneren
Teil des Lebens zu überspringen…
Und so, wie ich mit dem Genießen fertig war, wachte ich
auf. Ich stand in einer hektischen Menschenmenge, klitschnass, geschubst von
allen Seiten, suchend und fragend. Ich musste feststellen, dass ich meinen
Arbeitsplatz fast erreicht habe. Das Forschungsinstitut stand zur meiner
linken. Ich musste mich nur um neunzig Grad drehen und losmarschieren, um genau
auf den Haupteingang zuzusteuern. Das alles stellte ich recht überrascht fest.
Ich nahm auf einer Bank mit dem Blick zur Sonne platz. Ich tropfte aus allen
Winkeln. Lediglich von meiner Stirn wischte ich das Wasser fort. Ich wollte
nicht, dass die Tropfen mir ein Gefühl des Weinens vortäuschen. Ich hatte eine
Verabredung, ein Termin mit mir selbst.
Ich wollte mich nämlich fragen, wie ich darauf kam, dass
es die Frau aus meinem Traum gewesen sei. Ich suchte mir einen relativ dunklen
Hintergrund, etwa den Pflasterweg und zeichnete mir ihr Antlitz, so
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