Burakkuboru: Die kleine süsse Überraschung (German Edition)
bis auf die Größe eines Wunsches. Sie wächst und
wächst. Ich wüsste keinen Grund, dort unten zu stehen, aber ich wünsche es mir.
Ich wünsche es mir so sehr. Ich muss es einfach tun.
Ich muss mich anziehen. Ich muss mich beeilen. Bevor sich
der Wunsch verflüchtigt. Warum? Eigentlich.
Weil ich mich lebendig fühle.
Ich will mich lebendig fühlen. Abwechslungsreich.
Vielgestaltig. Kunterbunt. Warum? Es ist warm. Die Stille fühlt sich kalt an.
Der Tod ist uninteressant. Bewegung bedeutet Veränderung. Eine Kettenreaktion.
Ich wurde so geboren. Ich wurde so programmiert. Ich wurde ausgelesen. Wer nicht
leben will, stirbt. Stirbt aus. Lebendig bleibt nur der Wünschende. Das ist
reiner Selbstzweck. Kompromisslose Logik. Leben existiert aufgrund von
Wünschen, Trieben und Tendenzen.
Es ist elf Uhr dreißig, zwölfter Juli
zweitausendzweiundsiebzig. Seltsam. Was bedeuten diese Zahlen? Was bedeuten sie
für mich?
Ich verspüre nicht mehr den Wunsch, unten, gegenüber
meinem Fenster zu stehen. Ich will mich dennoch lebendig fühlen. Ich muss mich
bewegen. Ich muss in Bewegung bleiben. Ich bleibe in Bewegung.
Ich muss nachdenken. Worüber? Ganz egal. Ich muss nicht
nachdenken. Ich muss mich bewegen. Das Denken tut sich ganz von alleine. Ich
muss mich erinnern, was es mit der Zahl zweitausendzweiundsiebzig auf sich hat.
Irgendetwas scheint nicht zu stimmen.
Hier auf der Strasse ist es ganz ruhig. Todesstille. Kein
Leben weit und kein Leben breit. Keine Bewegung. Keine Veränderung. Ich habe
keinen Hunger, aber ich will mir was vom Automaten holen. Tagesangebot –
Japanmix. Mein Fenster sieht tot aus. Leblos. So, wie alle Fenster. Es ist
uninteressant.
Ich bleibe in Bewegung. Die Hauptstrasse um die Ecke ist
tot. Nichts rührt sich. Ich erinnere mich kurz an die Schatten und Lichter
erzeugt durch Blitze im schlimmsten Gewitter. Und wieder alles Ruhig.
Ich gehe am Elektronikgeschäft vorbei, am Frisörsalon, an
dem chinesischen Restaurant, an der Bank und bleibe am Kiosk stehen. An der
Kreuzung, wo ich in den Kamikaze eingestiegen bin. Es ist alles so ruhig. Wo
sind sie alle? Gibt es irgendwo ein großes Fest? Irgendwas umsonst? Warum sagt
mir niemand bescheid? Vielleicht steht irgendwas in der Zeitung?
Ich bewege mich zum Kiosk. Ich bewege mich. Ich sehe. Ein
Automagazin. Ein Bericht über eine Sensation. Der neue und der letzte Kamikaze,
sieben Jahre nach der Veröffentlichung, nun endlich auf dem Asphalt. Als
Prototyp in Aizu-Wakamatsu, Kamikazes Geburtsort ausgestellt. Wie ein
Weltwunder gefeiert. Von Millionen vergöttert und angebetet. Nie dagewesene
Pracht, Power und Präzision.
Zweitausendzweiundsiebzig. Sieben Jahre nach meinem Tod.
Ich bin tot. Ich lebe. Ich bin in der Zukunft. Ich bin auf der Feier. Die haben
mich hierhin geschickt. Ich habe mich selbst hierhin geschickt. Ich habe mir
eine Nachricht hinterlassen. Sie liegt in meiner Windjacke.
„Du. In dieser Aufgabe bist du ganz allein auf der Welt.
Einen Monat lang. Mir ist nichts Besseres eingefallen, ich wollte nach dem
Kamikaze suchen. Aber mach du was du willst. Die Regeln sind einfach. Mach, was
du willst. Wenn du stirbst, wachst du woanders auf. Wenn du einschläfst, kann
es so geschehen, dass du woanders aufwachst. Wenn du lange Zeit nichts machst,
kann es passieren, dass du einschläfst. Wenn du woanders aufwachst, kann sein,
dass du wieder gestern hast. Viel Spaß!“ Gezeichnet: „Ich“.
Diese Schweine!!!
Jetzt erinnere ich mich wieder. Ich weiß nun, wo alle hin
sind. Sie feiern Alle 666 Jahre nach meinem Geburtstag. Und ich. Darf hier ganz
allein herumhocken. Nein, ich bin nicht allein. Ich kann nur niemand sehen. Und
niemand hören. Aber ich kann sie spüren. Sie beobachten mich. Sind um mich
herum. Wie unsichtbare Wächter. Wie Engel.
Was mach ich denn jetzt? Soll ich den Kamikaze suchen?
Einmal um die Welt? Oder soll ich mich hinstellen und abwarten, bis der Monat
um ist?
Diese Schweine! Was haben die mich wieder verarscht. Ich
hätte Lust irgendwas kaputtzuhauen. Und ich fange mit diesem Kiosk an.
Nach zwanzig Minuten hatte diese Seitenstrasse keine
ganzen Scheiben mehr auf den unteren beiden Etagen. Und erzählt mir nicht, es wäre
primitiv und hirnlos, Fensterscheiben kaputtzuschlagen, es wäre zu einfach und
zu einfallslos. Versucht mal selbst, lose, schwere Gegenstände in so einer
Stadt zu finden, wo
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