Buschfeuer: Australien-Thriller (German Edition)
kleines Arbeitszimmer mit, wo ein alter Computer auf einem selbstgezimmerten Schreibtisch stand, die Regale darüber voll von Ratgebern für Selbstständige und über Kindererziehung. Ryan stellte den Computer an, rückte Gil einen Stuhl heran und bezog selbst vor dem Fenster Stellung, wo er die Mädchen hinter dem Haus im Auge behalten konnte.
Während der Computer langsam und brummend hochfuhr, schwiegen die beiden sich an. Mit Sicherheit machte Ryan sich seine Gedanken– über Marci, über Gils Festnahme und Freilassung, über den Brand–, doch er sprach nichts davon an. Beim Kampf vorletzte Nacht hatte er für ihn Partei ergriffen, aber das war vor der Entdeckung von Marcis Leiche gewesen. Dass Ryan ihn ins Haus gebeten hatte und ihm das Motorrad verkaufte, sagte viel über sein Zutrauen zu Kris’ Urteilsvermögen. Rollstuhl hin oder her, Ryan hätte Gil auf der Stelle von seinem Grund gejagt, hätte er auch nur die geringste Gefahr für seine Familie in ihm gesehen. So wild Ryan es in seiner Jugend auch getrieben hatte, er hatte immer beschützt, was ihm wichtig war, und der Beschützerinstinkt und die Hilfsbereitschaft, die ihn bewogen hatten, der schmerzlich schüchternen Beth aufzuhelfen, als sie am ersten Tag auf der Highschool stolperte, traten heute nur umso deutlicher zutage, wenn sein Blick mehrmals in der Minute zum Fenster schweifte und er nach den Mädchen sah.
Gil wäre jede Wette eingegangen, dass Ryan aus diesem Beschützerinstinkt heraus Augen und Ohren stets offen hielt und daher ziemlich genau wusste, was im Bezirk so vor sich ging. Ryan hatte den Verlockungen des härteren, illegalen Stoffs nie nachgegeben, aber genau wie Gil kannte er Leute, die es getan hatten.
Gil brach das Schweigen. » Du weißt nicht zufällig, wen die Flanagans dieser Tage so für sich eingespannt haben? « , fragte er leise.
» Die Flanagans? « Argwöhnisch zog Ryan eine Augenbraue hoch.
Endlich war der Computer hochgefahren, und Gil rief den Browser auf. » Gestern Abend waren zwei von Flanagans Fahrern im Truck-Stopp-Café « , erläuterte Gil. » Ich weiß nicht, was die Polizei denkt, aber wenn ich tippen soll, wer den Laden abgefackelt hat, dann sind die für mich die erste Wahl. «
» Scheiße. « Ryan schwieg einen Moment und sah wieder zum Fenster hinaus. Gil rief die Homepage seiner Bank auf und ließ Ryan die Zeit, sich schlüssig zu werden, wie er reagieren wollte.
» Ich weiß nichts Genaues « , sagte Ryan nach einer Weile. » Seit ein paar Jahren interessieren sich die Flanagans verstärkt für die Gegend um Dungirri. Die Dürre hat alle schwer getroffen, und Dungirri hatte darüber hinaus noch mit ganz anderen Problemen zu kämpfen. Ein paar von den Männern hier…« Er schluckte schwer. » Es gab Selbstmorde. Und ein paar Fälle, bei denen man es nicht genau weiß. Etliche sind weggezogen. Mitch und Sara Sutherland… nach dem Tod der kleinen Jess haben sie alles verkauft. Sie hatten nur ein paar hundert Morgen, aber Mitchs Eltern haben ihre riesigen Ländereien verkauft und sind ebenfalls fortgegangen. Flanagan’s Agricultural hat alles aufgekauft und etliche weitere Grundstücke dazu. Inzwischen verfügen sie in diesem Bezirk über mehr Land als der Strelitz’sche Familienbetrieb. «
Gil pfiff durch die Zähne. Die letzten fünfzig Jahre waren die Strelitz hier die Weidekönige gewesen.
» Über die letzten zwölf Monate ungefähr « , fuhr Ryan fort, » haben die Flanagans schwer in Infrastruktur investiert– neue Dämme, Zäune, Schuppen, dazu Spitzenzuchtvieh. Jeder andere muss den Gürtel enger schnallen, und etliche stehen kurz vor dem Bankrott. Daher ist Flanagan’s im Augenblick der größte Auftrag- und Arbeitgeber für Tagelöhner. Und die Jungen, die hierbleiben, sind fast alle auf Aufträge und kurzfristige Lohnarbeit angewiesen. «
Gil wusste, was das bedeutete. Das war schon immer Dan Flanagans Strategie gewesen: Gib einem jungen Burschen ein wenig Arbeit, damit er sich dir verpflichtet fühlt, schanze ihm ein paar zwielichtige Aufträge zu und halte ihm die als Drohung vor die Nase, wenn er aussteigen will.
» Und wer arbeitet für sie? « , fragte er.
» Frag lieber, wer nicht. Zwei von Johnno Dawsons Söhnen und Luke Sauer, das ist Karls Vetter, haben oft auf den Viehweiden gearbeitet. Lukes Schwester Ingrid arbeitet in der Firmenverwaltung in Birraga. «
Die Dawsons und die Sauers waren noch Kinder gewesen, als er fortging. Er wusste nicht genug über sie, um
Weitere Kostenlose Bücher