Buschfeuer: Australien-Thriller (German Edition)
wäre ihm bestimmt eine schlagfertige Erwiderung eingefallen. Und wäre er weniger abgelenkt gewesen, hätte er bestimmt die junge Frau hinter der geöffneten Speisekammertür bemerkt.
» Kennst du Megan schon? « , erkundigte sich Liam und lächelte der jungen Frau warmherzig zu. » Sie hat für deine geliebte Jeanie gearbeitet. Sie wird dir helfen, hier sauber zu machen, und mich dann beim Kochen unterstützen. «
Da stand sie und lächelte ihm einen Gruß zu, das schwarze Haar zum Pferdeschwanz gebunden, der Haaransatz spitz in die Stirn reichend, genau wie seiner. Seiner… Sein Verstand stolperte über das Wort.
Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar und grummelte eine Art Begrüßung, ohne sie dabei anzusehen.
Seine… Tochter. Wenn es so etwas wie Götter gab, dann lachten die jetzt bestimmt über ihn. Dass sie – dieses lebhafte, hübsche Mädchen– die Folge des einmaligen Gefummels mit Barb im Dunkeln vor so vielen Jahren sein konnte, schien ihm ausgeschlossen, eine bizarre Verhöhnung.
Und nun würde er die nächsten Stunden schrubbend an der Seite seiner Tochter zubringen.
11
A ls Kris vor der Polizeistation parkte, liefen im Radio gerade die überregionalen Ein-Uhr-Nachrichten. Mit Steve hatte sie am anderen Ende von Birraga die Frau des LKW -Fahrers besucht, die ihren Mann als vermisst gemeldet hatte, um sie schonend darauf vorzubereiten, dass er womöglich nie wieder nach Hause käme.
Eine Stunde danach hörte sie im Geiste noch immer die verzweifelten Schreie der Ehefrau, und wenn sie die Augen schloss, sah sie die verängstigten, verwirrten Gesichter der drei kleinen Kinder, die noch zu jung waren, um zu verstehen, warum Mami so schrie und weinte.
Kris legte die Arme auf das Lenkrad und ließ den Kopf darauf sinken. Wie brachte man einer trauernden Ehefrau bei, dass sie ihren toten Mann nicht sehen durfte? Dass von dem geliebten Partner, vom Vater ihrer Kinder, dem Mann, mit dem sie das Bett geteilt hatte, nichts Erkennbares geblieben war? Von allen Todesbenachrichtigungen, die Kris in ihrer Laufbahn hatte überbringen müssen– und das waren in den vergangenen zwei Jahren viel zu viele gewesen–, war dies eine der schwersten. Selbst wenn er das Feuer in der Raststätte mit Absicht gelegt hatte, niemand hatte ein solches Schicksal verdient, am wenigsten die Frau und die Kinder.
Sie und Steve hatten kaum etwas aus der Frau herausbekommen. Ihr Mann fuhr seit ein paar Jahren nach Bedarf von Jerran Creek aus Touren für Flanagan’s Transport, und vor drei Jahren waren sie dann nach Birraga gezogen. Seitdem hatte er regelmäßiger Arbeit, vier bis fünf Touren die Woche, hin und wieder auch eine zweitägige.
Nichts, was sie sagte, gab wirklich Aufschluss über seine Schuld oder Unschuld, seine Absichten oder Komplizen. Vom zweiten Fahrer fehlte bislang jede Spur. Nach den Fahrtenlisten, die Kris von Karls Kusine Ingrid aus der Flanagan’schen Geschäftszentrale erhalten hatte, war nur ein Laster, nicht zwei, eingeteilt gewesen, um Ochsen von einer Weide im Westen von Birraga auf den ehemaligen Sutherland-Besitz zu verlegen. Ingrid konnte sich nicht vorstellen, wer den zweiten Laster gefahren haben könnte, und der Transportleiter war übers Wochenende auf Wildschweinjagd und ging nicht ans Handy.
Kris schleppte sich, ohne die Dienststelle zu betreten, aus dem Wagen und ins Haus. Jetzt endlich hatte sie dienstfrei. Zumindest offiziell. Steve sollte das Wochenende damit zubringen, Licht ins Dunkel um den Phantomfahrer und etliche weitere Fragenkomplexe zu bringen, aber nach einem kurzen Blick auf Kris’ Überstundenzettel der letzten beiden Wochen hatte der Bezirkspolizeikommandant sie auf der Stelle nach Hause geschickt.
Das bedeutete zwar nicht, dass sie aufhören würde, Fragen zu stellen und nachzudenken, viel mehr aber konnte sie, zumindest offiziell, nicht unternehmen, bis die Berichte von Spurensicherung, Brandermittlung und Autopsie einträfen. Und selbst dann unterstanden die Erkundigungen vor Ort Steve, während Petric für die Mordermittlung in Sachen Marci zuständig war, sodass ihre Rolle sich im Grunde auf Mithilfe und Zuarbeit vor Ort beschränkte.
Im Schlafzimmer legte sie die Uniform ab und schlüpfte in Jeans und ein Baumwoll-Shirt. Die Temperatur war inzwischen auf sommerliche Werte gestiegen, der Himmel blau und nirgends eine Spur von Regen, und es versprach eine klare, warme Nacht zu werden. Wenigstens in diesem einen Punkt stand es also gut für den Ball.
Nebenan
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