Buschfeuer: Australien-Thriller (German Edition)
recherchieren, ob der Orden tatsächlich seinem Vater gehörte, und sich, falls ja, das Personalstammblatt aushändigen lassen. «
Wenn er Lust hat … Kris hielt das für nicht gerade wahrscheinlich. Aber vielleicht würde sie selbst ein wenig recherchieren. Kriegsdienst, eine Kopfverletzung… vielleicht lag da die Erklärung für Des’ exzessive Gewaltausbrüche.
» Na, ich werd dann allmählich zusammenpacken « , sagte Sandy.
» Ich bleibe hier, bis ihr fertig seid « , bot Steve an. » Aschenputtel hier muss sich nämlich noch für den großen Ball schön machen. «
Der Ball. An den hatte sie seit Stunden nicht gedacht. Sie sah auf die Uhr und ächzte. Ihr blieb weniger als eine Stunde, um zurück zum Auto zu kommen, heimzufahren, zu duschen, sich anzuziehen und zu schminken und dann an der Seite von Mark Strelitz und dem Organisationskomitee die Gäste zu begrüßen. Und irgendwie musste es ihr gelingen, auch noch so etwas wie Begeisterung für das große Ereignis aufzubringen.
Still lag der Ort da, als sie ihn erreichte– bestimmt waren alle damit beschäftigt, sich groß in Schale zu werfen. Beim Aussteigen drangen ihr vom Gemeindesaal her ein paar Gitarrenakkorde ans Ohr, dazu eine Stimme: » Test, Test… ist das Ding an? « Allem Anschein nach wurde das bejaht, denn jetzt wurde es wieder still.
Obwohl sie spät dran war, gönnte sie sich den Luxus, mindestens zehn Minuten lang zu duschen, das heiße Wasser über die schmerzenden Muskeln strömen zu lassen und sich die Haare gründlich zu waschen. Einmal mit dem Föhn über den Wuschelkopf, mehr war nicht drin. Vorsichtig nahm sie das Kleid aus der Plastikhülle, doch dann zögerte sie, ehe sie es anzog.
Begeisterung. Irgendwie musste sie die aufbringen. Jeanie würde sich wünschen, dass sie einen fröhlichen Abend erlebte. Fast der ganze Ort würde da sein. Mark wäre ein guter Partner. Ryan und Beth gingen zum ersten Mal seit fast einem Jahr aus.
Sie nahm das dunkelblaue Seidenkleid vom Bügel, zog es sich über den Kopf und verrenkte sich, um den Reißverschluss im Rücken hochzuziehen.
Aber als sie so vor dem Spiegel stand, sah sie, dass die zarten Träger und das eng anliegende, tief ausgeschnittene Dekolleté die Blutergüsse und Schrammen an Schultern und Armen nicht verdeckten, die trotz Beths Salbe seit dem Vorfall gestern Abend kräftig nachgedunkelt waren.
Vor Enttäuschung biss sie sich auf die Lippe. Wieso musste es auch ein Ball sein? Ein Picknick wäre viel einfacher gewesen. Für ein Picknick hätte sie sich problemlos begeistern können. Sie hätte beim Eierlaufen mitgemacht, hätte nach Äpfeln gehascht und sich sogar ins Wasser tauchen lassen. Die Ortsbewohner hätten ordentlich was springen lassen, damit sie mit Schwung untergetaucht würde, und es wäre ein Riesenspaß geworden. Sie hätte in Jeans gehen können, Herrgott, anstatt in diesem Albtraum von Abendkleid, das einfach nicht zu ihr passte, auch wenn die Verkäuferin in der Boutique in Birraga das hoch und heilig geschworen hatte.
Krawallen und abgebrühten Kriminellen hatte sie sich ohne mit der Wimper zu zucken gestellt, aber noch nie hätte sie so gern gekniffen wie jetzt. Der Rang einer Sergeantin und zehn Jahre Polizeidienst waren Kinderkram im Vergleich zu dem Schrecken, einen Kleinstadtball am Honoratiorentisch mitmachen zu müssen.
Schon wehte die richtige Musik vom Gemeindesaal herüber. Es blieb ihr kaum eine Galgenfrist. Vielleicht würden die Schrammen und blauen Flecken ja niemandem auffallen, wenn sie einfach das Transparentpapier überstreifte, in dem das Kleid steckte, und es den ganzen Abend nicht auszog.
Sie zog den Saum hoch, um die Sandalen zu schließen und bemerkte dabei an den Knöcheln die Einschnürungen vom Gummizug der Socken, die sie den ganzen Tag getragen hatte.
» Der Gipfel femininer Eleganz « , murmelte sie vor sich hin. Bloß gut, dass sie sich nicht für das seitlich geschlitzte Kleid entschieden hatte. So blieben wenigstens die sockengezeichneten Beine dezent unter dem bodenlangen Saum verborgen. Rasch legte sie etwas Make-up auf, dann schnappte sie sich die goldene Abendhandtasche, die die Verkäuferin in der Boutique ihr als Ergänzung zum Kleid aufgeschwatzt hatte, rupfte das Papier heraus und stopfte stattdessen Schlüssel, Handy und ein wenig Geld hinein.
An der kaum benutzten Vordertür klopfte es.
» Ich komme « , rief sie und fügte für sich dazu: » Jetzt ist sowieso alles zu spät. «
Es erwartete sie Mark, der
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