Buschfeuer: Australien-Thriller (German Edition)
stahlen. Und wie finster es ohne Mond und Sterne sein konnte, wenn Wolken den Nachthimmel verdüsterten. Manchmal war er durch Sydney gestreift, nach der Sperrstunde, wenn das Putzen erledigt war, in den ruhigeren Stunden vor Tagesanbruch, wenn selbst harte, lange Arbeit die tief sitzende Rastlosigkeit nicht zu beruhigen vermochte.
Das Rad hat den Kreis vollendet; ich bin hier.
Der Wirbel seiner Gedanken hatte sich ein wenig beruhigt, und auf einmal konnte er es akzeptieren– eine Feststellung ohne Verurteilung oder Drohung, das Eingeständnis einer Tatsache–, dass dies– der Busch, Dungirri, die weiten Ebenen dahinter– ein Teil von ihm war. Nichts könnte das je ändern, ganz gleich, was auch geschah, ganz gleich, wo es ihn künftig noch hin verschlüge– so es denn eine Zukunft für ihn gab.
Aber wenn es eine Zukunft geben sollte, dann musste er die anstehenden Probleme lösen. Logik. Strategie. Punkt für Punkt abarbeiten.
Die Mutter– da gab es nicht viel, was er tun konnte, nur für ein ordentliches Begräbnis konnte er sorgen, wenn die Rechtsmediziner sie freigaben. Vielleicht konnte er Kris bitten, ihm bei der Suche nach ihren Verwandten behilflich zu sein… Nein, er würde sich nicht mehr lang in Kris’ Nähe herumtreiben. Er würde die Angehörigen seiner Mutter selbst ausfindig machen und sie, wenn möglich, dort bestatten lassen, wo sie hingehörte.
Aber zuvor galt es, die kommenden Tage zu überleben. Womit er beim Mord an Marci wäre. Die Liste, die er für Kris zusammengestellt hatte, enthielt mehrere denkbare Verdächtige: Marcis Lebensgefährten, einen Freier, einen Kumpan von Jones und seiner Gang und Tony Russo.
Er hielt es nicht für sehr wahrscheinlich, dass Tony sie eigenhändig umgebracht hatte. Das Sexuelle daran wollte nicht recht zu Tonys Stil passen. Gewalt, ja. Mit Sex, nein. Aber Tony war das Bindeglied zwischen sämtlichen Namen auf der Liste. Unabhängig davon, wer Marci ermordet hatte, man hatte sich Flanagans Netzwerk bedient, um die Raststätte niederzubrennen und die Spuren zu vernichten, und nur Tony konnte Flanagan eingeschaltet haben.
Was den Mord an Vince anging, durfte man Tony keinesfalls außen vor lassen, auch wenn sein Alibi mutmaßlich längst überprüft war. Er war schlau genug und hatte ausreichend Beziehungen, um einen Mord in Auftrag zu geben, aber wieso jetzt und nicht schon vor fünf, zehn, fünfzehn Jahren? Die Beziehung zu Vince war seit Jahren zerrüttet. Genauso hatte die Jones-Gang in Vince immer den Rivalen gesehen, aber wieso sollten sie ausgerechnet jetzt handeln, da Kevin seit neun Monaten hinter Gittern saß?
Wenn entweder Tony oder einer von Jones’ Leuten dahintersteckte, dann musste es ein auslösendes Moment geben. Gil rief sich die Unterhaltung mit Vince am Mittwochmorgen vor Augen und versuchte sich zu entsinnen, ob Vince etwas gesagt oder angedeutet hatte, was auf eine Krise schließen ließ. Ihm fiel nichts ein. Das Treffen war kurz gewesen, keine zehn Minuten lang, eher fünf. Er hatte Vince die Scheine gegeben, ihm gesagt, woher sie kamen, ihm befohlen– befohlen, nicht etwa gebeten–, Tony Bescheid zu stoßen, dass er Marci fortan in Ruhe zu lassen habe, und ihm mitgeteilt, dass er Vorkehrungen für Marcis Umzug nach Melbourne getroffen habe. Vince hatte gefragt, ob Marci mit dem Umzug einverstanden sei, und Gil hatte erwidert, daran arbeite er noch; anschließend hatte er Vince gebeten, gebeten, nicht befohlen, er möge versuchen, Marci vom Weggehen zu überzeugen.
Im Großen und Ganzen war es das. Vince hatte sich gegeben wie immer und hatte ihn mit einer Herzlichkeit empfangen, die Gil nie erwiderte. Am Schluss, als Gil gerade gehen wollte, hatte Vince ihm gedankt, dass er ein Auge auf Marci hatte, ihm zu seinen sauberen Geschäften gratuliert und sich erkundigt, was er nun zu tun gedenke. Als Gil die Schultern zuckte und sagte, er habe noch keinen konkreten Plan, hatte Vince gelächelt und gesagt, er hoffe, Gil werde den Inhalt seines Schließfachs nie brauchen.
Was, wenn Gil jetzt daran zurückdachte, doch etwas seltsam war. In all den Jahren, seit Gil ihm die Stirn geboten und ihm seine Bedingungen diktiert hatte, hatte Vince dieses Schließfach nicht ein einziges Mal erwähnt.
Hatte Vince ihn warnen wollen, dass er Tony nicht länger in der Hand habe? Wenn dem so war, dann hatte er die Konfrontation zwischen Vince und Tony womöglich noch verschärft, indem er Vince einspannte, um Marcis Schulden abzubezahlen. Noch
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