Bushido
nach Wannsee, was ich, ehrlich gesagt, gar nicht so schlimm fand. Viel schlimmer empfand ich das deutsche Rechtssystem. Das muss man sich mal vorstellen: Irgendein Vollidiot, der sich Psychologe schimpft, bekommt vom Staat die Macht, nach ein paar Gesprächen über mein Leben zu entscheiden. Das ist doch krank! Hätte ich nicht so einen coolen Richter gehabt, wer weiß, was aus mir geworden wäre. Wie war das noch mal mit
den Was-wäre-wenn-Fragen? Einfach nicht darüber nachdenken. Ist besser so.
Ausbildungsheim, Arbeitsamt, Abendschule
Das Don-Bosco-Heim am Wannsee
Meiner Mama fiel ein Stein vom Herzen, als ich endlich eine – in ihren Augen – vernünftige Aufgabe gefunden hatte. Obwohl von »finden« ja nicht wirklich die Rede sein konnte, wohl eher von »gefunden worden«. Im Prinzip hatte sie aber recht. Ich nahm also mit den Leuten dieser »Ausbildungsstätte für benachteiligte Jugendliche« Kontakt auf und informierte mich über die verschiedenen Programme. Ich konnte zwischen einer Lehre als Tischler, Tierpfleger, Maler und Lackierer, Schreiner, Schlosser, Garten- und Landschaftsbauer und Florist wählen. Irgendwie war das alles nicht so prickelnd, aber ich musste mich schließlich für eine Sache entscheiden. Also gut, Augen zu und durch. Aus dem Drogendealer wurde ein Maler und Lackierer. Korrekt.
Dann kam mein erster Tag. Es war Montag früh, der Wecker klingelte um 5.15 Uhr und mir wurde schlagartig klar, dass sich in den kommenden drei Jahren an dieser Uhrzeit nichts ändern würde. Ich ge-wöhnte mich besser gleich daran. Ohne zu frühstücken, rannte ich los zur S-Bahn-Station, erwischte um 5.52 Uhr gerade noch so die
S1 und fuhr durch bis zur Endstation Wannsee. Von dort ging es um 6.12 Uhr weiter mit dem Bus.
Das Ausbildungsheim befand sich unweit des Wannsees auf einer kleinen Insel. Willkommen auf Alcatraz, dachte ich, als ich zum ersten Mal vor den Toren stand. Pünktlich um 7 Uhr meldete ich mich in der Werkstatt und durfte, quasi zur Begrüßung, erst mal den ganzen Tag Heizkörper abschleifen. Acht Stunden lang. Na toll, das fing ja gut an. Auf dem Nachhauseweg überlegte ich schon, wieder alles hinzuschmeißen. Nach nur einem Tag. Das konnte doch wirklich nicht wahr sein.
Als ich in der S-Bahn saß und einen Abtörn schob, erinnerte ich mich an meinen ersten Nebenjob bei Burger King. Meine Mutter wollte so gerne, dass ich es wenigstens mal versuche, also tat ich ihr den Gefallen und füllte das Bewerbungsformular aus. Dummerweise wurde ich sofort genommen. Meine Aufgabe bestand darin, die Burger zu braten. Ein richtiger Opfer-Job. Bevor ich das erste Mal die Bruzzelkelle schwingen durfte, musste ich mir im Büro des Filialleiters ein Einführungsvideo angucken, das im Prinzip davon handelte, dass Burger King die Guten und McDonald’s die Bösen waren. Ich gab mir wirklich Mühe, aber ich konnte mir von diesem Idioten, der seine Frau wahrscheinlich seit Jahren nicht mehr bestiegen hatte, beim besten Willen keine Vorschriften machen lassen. Das ging einfach nicht. Ich ließ mir zehn Mark auszahlen, der Lohn für eine Stunde Arbeit, und verpisste mich wieder. Mein erster Ausflug in die Arbeitswelt dauerte genau eine Stunde.
So einfach war es diesmal nicht. Erstens hatte ich keine Wahl und zweitens hatte ich dem Richter mein Ehrenwort gegeben, dass ich die Ausbildung bis zur Gesellenprüfung durchziehen würde. Mein Wort wollte ich auf gar keinen Fall brechen. Bei einer normalen Lehre musst du auch morgens antanzen und den ganzen Tag knechten, sagte ich mir und biss die Zähne zusammen. Die Ausbildungsstätte war zwar doch kein Gefängnis à la Alcatraz, aber ich merkte schnell, dass dort ein sehr rauer Wind wehte. Das erste Jahr war dementsprechend auch das schwerste. Ich konnte mich nur langsam an dieses neue Klima gewöhnen, aber ich gebe zu, dass die Zeit während der Ausbildung mich auf jeden Fall diszipliniert und mir in meinem späteren Leben mehr genutzt als geschadet hat. Also, werter Herr Richter, alles richtig gemacht.
Meister Rafik Rolf Amrouche
Mein Meister war auf eine bestimmte Art und Weise ein super Typ und ich war sein Lieblingsazubi. Nicht, weil ich mich bei ihm einschleimte, ganz im Gegenteil, sondern weil ich ganz einfach der Beste des gesamten Jahrgangs war. Er förderte mich ständig und wollte mich sogar beim Bundesausschuss des Maler- und Lackiererhandwerks anmelden. Das waren so lustige Messen, zu denen jedes Bundesland seine besten Maler schickte, die dann
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