Bushido
niemals unter Vertrag genommen. Entweder ihr akzeptiert meine Musik, so wie sie ist, oder ihr habt ein Problem. Wenn ihr sonst keine Argumente habt, dann bleibt der Song auf dem Album. Basta!«
Das Meeting war auf einmal ganz schnell zu Ende. Tom hörte sich, oh Wunder, auch gar nicht mehr die restlichen Songs an. Ich stand auf und fuhr nach Hause. Ich erinnerte mich an unsere Unterhaltung, damals, als es darum ging, die Textzeile von wegen »Tunten vergasen« zu ändern. Obwohl ich selbst kein Problem mit dieser Wortwahl hatte, sah ich später ein, dass man das nicht sagen kann. Deswegen hatte ich auch nichts dagegen, den Text im Nachhinein zu ändern. Nicht weil ich Schiss hatte – Ärger habe ich ja sowieso bekommen –, sondern weil ich verstand, dass ich einen Schritt zu weit gegangen war. Diesen Schritt konnte ich bei 11. September aber nicht erkennen.
Dann herrschte drei Wochen Funkstille zwischen mir und Universal. Ich ging davon aus, die Angelegenheit wäre erledigt. Mein Album war bereits komplett aufgenommen und abgemischt. Ich hatte also nichts mehr zu tun. Ich war gerade in Köln, weil ich Kingsize nach Hause gefahren hatte und noch eine Nacht in seiner Wohnung chillte. Es war früh am Morgen, ich schlief noch, als plötzlich mein Handy klingelte. Ich schaute nach und sah Neffis Büronummer. Es war 11 Uhr. Wieso rief er mich um diese Uhrzeit an? Der wusste doch genau, dass ich noch schlafen würde. Ich ging ran.
»Was willst du?«, grummelte ich.
Neffi sagte kurz Hallo und reichte den Hörer an Tom Bohne weiter. Was für ein Drama am Morgen.
Tom begrüßte mich überschwänglich in seiner forschen Art und fragte mich, ob ich heute schon die Nachrichten gesehen hätte. Was für ein Scherzkeks! Ich war mitten im Tiefschlaf.
»Nee, ich schlafe noch. Was habe ich gemacht?«, fragte ich.
Ich dachte wirklich im ersten Moment, ich hätte wieder irgendwas angestellt. Warum sonst sollte mich Tom so früh am Morgen persönlich anrufen?
Aber er klärte mich auf. In London habe die Polizei in letzter Sekunde einen Anschlag vereiteln können. Mehrere Araber hätten den größten Anschlag seit dem 11. September geplant.
Häh? Was für einen Anschlag und was hatte ich damit zu tun?
»Ich wusste gar nicht, dass du ein Anti-Terror-Experte bist«, meinte ich aus Spaß. Seine Geschichte kam mir so vor, als hätte er in der Bild-Zeitung was Krasses gelesen und er mir jetzt davon erzählen wollte.
Aber Tom wurde extrem ernst und signalisierte in eindeutigen Worten, dass er keinen Spaß machte.
»Und jetzt? Was willst du von mir?«, fragte ich.
Toms Antwort gefiel mir ganz und gar nicht. Mein Song sei kein Thema mehr. Universal würde ihn unter gar keinen Umständen veröffentlichen. Keine Diskussion. Fuck.
»Du bist vielleicht witzig!«, meinte ich noch. Mir fiel nämlich ein, dass das Album bereits im Presswerk war. Doch auch das Argument war ihm egal.
Was für eine verfickte Hurensohn-Situation.
»Leute, bitte. Kommt mal runter! Eure Sorgen um den Weltfrieden in allen Ehren, aber bleibt mal auf dem Teppich!«
Ich ließ mich von dieser Meldung aus London nicht sonderlich beeindrucken. Erstens war nichts passiert, außer dass Scotland Yard ein paar Araber verhaftet hatte. Zweitens lag ich noch im Bett, war im Halbschlaf und hatte keinen Bock, früh am Morgen solche Entscheidungen zu treffen. Mir war immer noch nicht ganz klar, was ich mit irgendwelchen Idioten aus London zu tun haben sollte. Dieses weltpolitische Gelaber ging mir sowieso richtig krass auf den Sack. Tom gab mir dann in aller Deutlichkeit zu verstehen, dass Universal mein Album mit diesem Song nicht veröffentlichen würde. Okay, das war eine Ansage.
»Alles klar, dann kommt das Album eben nicht raus!«, sagte ich und legte auf. Damit hatten sie nicht gerechnet. Ich legte mich wieder schlafen.
Ab sofort war Polen offen. Neffi rief Tag und Nacht bei meinem Anwalt an und versuchte über ihn, mich doch noch umzustimmen. Ohne Erfolg. Das Risiko, dass Universal mein Album tatsächlich blockieren würde, musste ich eingehen. Mir machte das sogar ein bisschen Spaß. Wie langweilig wäre mein Leben, wenn es diese kleinen Hürden nicht gäbe. Ich liebe diese Spielchen. Auch wenn es um viel Geld ging.
Alle um mich herum redeten plötzlich auf mich ein, dass ich die Geschichte doch nicht so eng sehen sollte und es doch behindert wäre, wegen eines einzelnen Songs die Veröffentlichung eines kompletten Albums zu gefährden. Ich blieb dabei. Nicht
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