Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bußestunde

Bußestunde

Titel: Bußestunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
Vom Netzwerk:
Verbrecher, die davongekommen waren, all die Schlussfolgerungen, mit denen er eindeutig danebengelegen hatte, aber dann tauchte hinter den Fehlschlägen eine ganz passable Arbeitsphase auf. Er hatte tatsächlich dazu beigetragen, ein paar wirklich unangenehme Typen zu schnappen. Und ein paar weniger unangenehme.
    »Aber nicht allein«, sagte er.
    »Natürlich nicht«, sagte der Säpo-Chef mit einem Schulterzucken. »Aber wenn man die Fälle im Einzelnen durchgeht, sind es auffallend oft deine Schachzüge, die die Entscheidung herbeigeführt haben. Und Berlin vor einem Jahr war die endgültige Bestätigung. Holm und Chavez waren zwar die agierenden Helden, aber du standst dahinter.«
    Mit einem Schlag befand sich Hjelm wieder in diesem wahnsinnigen Labyrinth aus Stelen mit Tausenden von Wegkreuzungen, und irgendwo dort drinnen schlich ein eiskalter Berufskiller umher, verwandelt in einen Selbstmordattentäter. Es waren Minuten, nach denen er sich nicht zurücksehnte. Es war die Hölle gewesen.
    Er schloss die Augen – und verkaufte seine Seele dem Teufel?
    »Was bedeutet ›verschwunden‹?«, fragte er.
    Der Säpo-Chef lächelte selbstgefällig und sagte, während er eine Schreibtischschublade öffnete: »Von heute auf morgen weg. Spurlos.«
    »Sogar spurlos«, stellte Hjelm mit aller Ironie fest, die in seiner schnell schwärzer werdenden Seele noch vorhanden war.
    »Aber das ist alles hier drin«, sagte der Säpo-Chef und knallte eine dicke braune Mappe auf den Schreibtisch, dass der Staub aufwirbelte. »Alles, nur nicht die Antworten. Um die zu finden, wirst du Steine umwälzen müssen, von denen du nichts ahnst. Wir erwarten das Unerwartete.«
    Hjelm ergriff die Akte an einer Ecke. Der Säpo-Chef hielt sie an einer anderen fest. Für einen kurzen Moment fand ein albernes Tauziehen statt.
    »Soll ich das also als Ja deuten?«, fragte der Säpo-Chef.
    Hjelm verzog das Gesicht und sagte: »Jaja.«
    Der Säpo-Chef ließ los. Hjelm zog mit größerer Kraft, als er gedacht hatte, und diese Kraft wirkte bis in seine Beine und gab ihm Standfestigkeit.
    »Also Tore?«, sagte er, und es gelang ihm, die Beherrschung aufrechtzuerhalten, die ihn selbst während des ganzen Gesprächs beeindruckt hatte.
    Der Säpo-Chef nickte zurückhaltend und sagte: »Ja. Tore Michaelis. Einer der Größten aller Zeiten.«
    »Der Größten?«
    »Hören wir auf mit den Albernheiten«, forderte der Säpo-Chef. »Einer der größten schwedischen Spione aller Zeiten.«
    »Du meine Güte«, sagte Paul Hjelm kühl und machte Anstalten, den Raum zu verlassen.
    »Nur eins noch«, rief ihm der Säpo-Chef hinterher und begann sich mit etwas in der Achselhöhle zu kratzen, das Hjelm als einen sehr exklusiven Füllfederhalter der französischen Marke Waterman identifizierte.
    »Ja?« Hjelm blieb mit der Hand auf der Türklinke stehen.
    Der Säpo-Chef wandte sich der anderen Achselhöhle zu und sprach in einem Tonfall weiter, wie ihn Paul Hjelm noch nicht gehört hatte. Vermutlich war es dieser Tonfall, der ihm, trotz aller Ticks, das Kommando über die Sicherheitspolizei des Landes verschafft hatte. »Ich möchte noch einmal betonen, dass es hier nicht um irgendeinen Posten bei der Polizei geht, Hjelm. Es geht um nicht weniger als das höchste schwedische Polizeiamt überhaupt.«
    Paul Hjelm fühlte, dass er sardonisch lächelte. »Weil alles, was höher ist, mit Juristen besetzt ist?«
    Der Säpo-Chef gab einen gutturalen Ton von sich. Hjelms erster Gedanke war, dass er sich den Waterman-Füller durch die Achselhöhle ins Herz gebohrt hatte. Aber dann begriff er, dass der Ton wiederum das lang gezogene Schnaufen des Säpo-Chefs war, vermutlich sein Surrogat für ein längst verloren gegangenes echtes Lachen.
    »Theoretisch dürfte es möglich sein, den Sachverhalt so zu formulieren«, erklärte er in echtem Juristenschwedisch.
    Hjelm ging. Während des langen Wegs zurück durch das Polizeipräsidium beschäftigte ihn ein einziger Gedanke: Was habe ich getan?
    Aber die dicke braune Akte brannte unter seinem Arm und trieb seine Schritte an. Man sollte die Neugierde als menschliche Triebkraft nicht unterschätzen.
    Paul Hjelm hatte schon seit einem halben Jahrzehnt eine persönliche Sekretärin, hatte sich aber immer noch nicht richtig daran gewöhnt. Vermutlich war Anna-Clara, an der er gerade mit einem kurzen Nicken vorbeiging, eine der am wenigsten beschäftigten Sekretärinnen in Schweden. Was ihr offenbar ausgezeichnet zu passen schien. Einmal hatte

Weitere Kostenlose Bücher