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Bußestunde

Bußestunde

Titel: Bußestunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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ein korrekter Herr, der eine Menge unangenehmer und kontroverser Wahrheiten über den Preis der Demokratie gesagt hatte. Und auch – natürlich erinnerte er sich daran – über Paul Hjelms Zukunft.
    Der Säpo-Chef räusperte sich und fuhr fort: »Die Sache ist die, dass er verschwunden ist.«
    »Verschwunden?«, entfuhr es Paul Hjelm. »Und da fragt ihr ausgerechnet mich? Ihr habt doch einen ganzen Kader eigener Spione.«
    »Er wollte dich haben.«
    »Mich haben?«
    »Als seinen Nachfolger. Er hat es dir doch gesagt.«
    »Aber das war doch nur so dahingesagt.«
    »Tore war nicht der Mann, der etwas nur so dahinsagte, das versprech ich dir.«
    »Du sprichst von ihm im Imperfekt.«
    »Tue ich das?«, fragte der Säpo-Chef und sah ein wenig verwundert aus. »Na ja, hoffen wir, dass ich mich irre. Es gibt auch noch andere Komplikationen, aber auf die können wir eingehen, wenn du mein Angebot annimmst.«
    »Wie sieht das Angebot konkret aus? Eine, was sagtest du, eine Vertretung?«
    Der Säpo-Chef gab ein lang gezogenes Schnaufen von sich, als wollte er es vermeiden, über seinen eigenen Scherz zu lachen.
    »Die Stellenbeschreibung fällt ein wenig paradox aus«, sagte er schließlich. »Du wirst sein Nachfolger, aber nur, bis du ihn gefunden hast. Findest du ihn nicht, wirst du sein dauernder Nachfolger. Das Paradox besteht darin, dass es deiner Karriere nützt, wenn du keinen Erfolg hast. Hast du aber Erfolg, kehrst du geradewegs in deinen relativ schlecht bezahlten Bürojob bei der tristen internen Abteilung zurück. Als wäre nichts geschehen. Dies ist kein Auftrag, bei dem die wirklichen Verdienste veröffentlicht oder auch nur prämiert werden.«
    »Wovon reden wir? Dem Oberspion persönlich?«
    »Für die grobe Spionage ist in der Regel der MUST zuständig, der militärische Nachrichtendienst, das weißt du natürlich. Aber unsere Kontakte zu zivilen Nachrichtendiensten in den übrigen Demokratien der Welt sind natürlich von größter Wichtigkeit für die Sicherheit des Landes.«
    »Muss ich auch solche Dinge wie ›die Sicherheit des Landes‹ sagen, wenn ich akzeptiere?«
    »Sag doch, zum Teufel, was du willst«, fauchte der Säpo-Chef, »aber zu dir selbst und zu niemandem sonst. Du hast überhaupt keine offizielle Funktion, deine Worte existieren nicht in der Öffentlichkeit. Es handelt sich um eine vollkommen inoffizielle Position. Es geht um den Überblick. Den Überblick über eigene und andere Polizeiorganisationen und ihre aktuelle Tätigkeit.«
    »Das ist immer noch recht vage«, sagte Paul Hjelm.
    »Und das soll es auch sein«, entgegnete der Säpo-Chef und vergaß plötzlich all seine Ticks. »Bis du Ja sagst.«
    Paul Hjelm schwieg. Er dachte nach. Oder besser, er versuchte es. In seinem Kopf herrschte ein Durcheinander. Er bemühte sich, die Fäden zu knüpfen. Wo auch immer, irgendwo.
    Der Säpo-Chef seinerseits beobachtete ihn. Dieses Beobachten ließ sich mit keinem Adverb verbinden. Man konnte nicht sagen, dass er ihn »böse« oder »skeptisch« oder auch nur »neutral« ansah. Sein Blick war sozusagen nur. Wie der unergründliche Blick einer Katze.
    Schließlich raffte er sich zu einer längeren Bemerkung auf: »Es lässt sich nicht leugnen, dass es auf den Fluren ziemlich geknirscht hat, als Tore den Nachfolger präsentierte, den er im Sinn hatte. Es war keineswegs eine unumstrittene Wahl. Für die meisten war es selbstverständlich, dass dieser zentrale Posten intern besetzt werden würde, mit einem Sicherheitsbeamten mit langjähriger Erfahrung, aber für Tore war es genau umgekehrt. Der Mangel an Wissen und Erfahrung würde im Übermaß durch die neue, frische Perspektive aufgewogen werden, da der Betreffende ja frei sein sollte von allen konventionellen sicherheitspolitischen Rücksichten. Das Wichtigste – die Kontakte – würde der Nachfolger ohne Probleme erben können, und es ist sehr viel einfacher, Wissen zu erwerben, als eine neue Sichtweise zu etablieren. Und die Argumentation war wie immer bei Tore sehr überzeugend. Du bist unser Mann, Hjelm, daran ist nicht vorbeizukommen.«
    Paul Hjelm schüttelte langsam den Kopf. »Aber ich habe keine großen Verdienste«, sagte er.
    »Wir kennen deine Verdienste sehr gut, Paul Hjelm«, entgegnete der Säpo-Chef ruhig. »Bedenke, was du in den letzten zehn Jahren geleistet hast, und korrigiere mich.«
    Hjelm nahm sich eine Minute Zeit, um sich sein letztes Jahrzehnt vor Augen zu führen. Zuerst sah er nur die Fehlschläge, all die

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