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Bußestunde

Bußestunde

Titel: Bußestunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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sie.
    »Tu das, wenn du willst«, sagte Lena. »Aber es spielt keine Rolle.«
    »Warum nicht?«
    »Weil ich mit meinem ganzen lächerlich zeitsensiblen Körper spüre, dass Lisa Jakobsson tot ist.«
    Sara ließ Lenas Hand los und betrachtete sie. »Glaubst du das wirklich?«
    »Ich weiß es. Und das passiert mir, die ich es jedes Mal hasse, wenn du metaphysisch wirst.«
    »Aber warum?«, fragte Sara und klingelte an der Tür.
    »Sie ist ein Kontrollfreak. Niemals hätte sie den Termin im Präsidium verpasst. Treffen zu versäumen gehört zu den Dingen, die sie aus dem Gleichgewicht bringen. Vielleicht ist es sogar das Schlimmste von allem.«
    »Aber sie hatte doch etwas zu verbergen, vermutlich ist sie deswegen nicht erschienen. Sie hat der Polizei etwas verheimlicht.«
    »Und wenn sie das nicht getan hätte, würde sie heute noch leben«, sagte Lena Lindberg und öffnete die Tür.
    »Du bist wahnsinnig«, sagte Sara Svenhagen und trat in die Wohnung.
    »Genau wie du«, gab Lena Lindberg zurück und folgte ihr.
    Alles in der Wohnung war wie beim letzten Mal. Die gleiche Atmosphäre von totaler Kontrolle. Ein Raum mit Überblick in einer unüberschaubaren Welt. Kosmos inmitten des Chaos. Der absolut unbewegliche Mittelpunkt der sich drehenden Welt.
    Lena Lindberg ging zielstrebig in Lisa Jakobssons Schlafzimmer und schaltete den Computer an. Die Zeit des Feingefühls war definitiv zu Ende.
    Während der Computer schnurrte, traten die beiden Polizistinnen in die Küche und teilten schwesterlich den Stapel auf dem Küchentisch. Lena bekam Dagens Nyheter , Sara die Zeitschrift mit dem innovativen Namen Deine Gesundheit . Begleitet vom dumpfen Murren des nur langsam hochfahrenden Computers, begannen sie zu blättern, Lena mit großen, nervösen, ein wenig schlaffen Bewegungen, Sara distinkter.
    Der Computer brummte immer noch in der Startphase, das konnten sie hören.
    Sara Svenhagen gelangte zum Annoncenteil von Deine Gesundheit . Dort gaben sich die erstaunlichsten Anhänger alternativer Ideen ein Stelldichein. Man konnte Balsam kaufen, der unmittelbar die hartnäckigsten Warzen beseitigte, Tinkturen, die ebenso unmittelbar ungewünschten Haarwuchs verhinderten und gewünschten förderten, kleine Mikrokanülen mit »botoxartigen« Präparaten, die direkt in die Stirn injiziert wurden, um diese faltenfrei zu machen, Bräunungscreme für »dauerhafte Resultate« – »Achtung! Darf nicht in die Nähe von Schleimhäuten kommen« – und einen starken »medizinischen« Lippenglanz, der »ohne eigentliches Gesundheitsrisiko« die Lippen vergrößerte. Saras Blick blieb ein wenig zu lange am Wort »eigentliches« hängen. Sie bemerkte nicht einmal, dass Lena die Dagens Nyheter halb gelesen liegen gelassen hatte und ins Schlafzimmer gegangen war.
    Aber sie hörte, als Lena rief: »Der Computer ist so weit. Jetzt drück uns die Daumen, dass sie die Funktion ›History‹ aktiviert hat.«
    »History?«, rief Sara zurück, nahm den Blick von dem Wort »eigentliches« und ließ ihn weiter durch die Hochburg des Humbugs streifen.
    »Damit kann man nachvollziehen, wo sie überall im Internet gewesen ist!«, rief Lena und fügte fast unmittelbar ein »Yes« an.
    »Gut!«, rief Sara und hatte das Rufen satt.
    Eine Weile war es still. Sara suchte weiter zwischen immer winzigeren und obskureren Kleinanzeigen.
    Bis Lena Lindberg aus dem Schlafzimmer rief: »Thinspiration!«
    »Was?«
    »Thinspiration und Pro-Ana. Sagen dir die Begriffe was?«
    »Nein …«
    »Anorektische Frauen, die keine Lust mehr haben, sich zu schämen, und stattdessen auf anorektische Promis als Vorbilder verweisen. Und außerdem ihre eigenen verhungernden Körper vorführen. Wir leben wirklich in einer herrlichen Welt.«
    »Sie hat also so was auf ihrem Computer?«
    »Fast nur so Zeug.«
    »Welche Anna? Ein Boxprofi mit Namen Anna?«
    »Nein. ›Pro-Ana‹ bedeutet ›für Anorexie‹. Ein Anorexie-Fanklub.«
    »Was ist in dieser Welt eigentlich los?«, rief Sara aufgebracht. »Das sind also die Frauen von heute?«
    »Stolz und schlank«, sagte Lena. »Schlank um jeden Preis. Und ich meine wirklich jeden Preis. Lieber tot und schlank als lebendig und ein paar Gramm zu viel.«
    »Aber kannst du mir mal erklären, was das soll?«, forderte Sara, während ihr Blick gleichzeitig auf eine eingekreiste Anzeige fiel.
    Ja, tatsächlich. Sie war mit einem Kugelschreiber eingekreist. Sara Svenhagen streckte den Rücken, stand auf und ging hinüber zu Lena Lindberg.
    Das

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