Bußestunde
Kronen in bar bei dir haben. 3. Denk daran, diese Mail umgehend zu löschen.‹«
»Na wer sagt’s denn«, stieß Lena Lindberg hervor und ballte die Hand zur Faust. »Hier haben wir es.«
Sara Svenhagen stieß ihre ebenfalls geballte Faust gegen die der Kollegin und verspürte den gleichen Adrenalinkick. »Sie haben den Videoladen überwacht. Nach dem Raubüberfall wurde es ihnen zu heiß. Sie montierten die Überwachungskamera ab und machten sich aus dem Staub, vielleicht nur vorübergehend.«
»Dann sind sie inzwischen über alle Berge.«
»Das ist nicht sicher. Wir können sie immer noch schnappen.«
Sie verließen Lisa Jakobssons Wohnung so, wie sie war. Auf dem Weg zum Wagen sagte Sara: »Aber ich begreife nicht ganz, wie das zu deiner Hypothese von Lisa Jakobssons Tod passt.«
Dann rief sie Kerstin Holm an.
9
Kerstin Holm befand sich tief im Wald. Zumindest erschien es ihr wie ein tiefer Wald. Bis sie den Blick hob. Über ihr wurden die Baumwipfel weniger, bis der klarblaue Himmel an der Grenze zwischen Sommer und Herbst wieder sichtbar wurde. Sie kniete vor Bengt Åkessons Grab und blickte auf zu dem kalten Himmel, der wie ein klarblaues, gleichgültiges Auge auf sie herabsah.
Sie war vollkommen allein. Dies war der heilige Augenblick, in dem das Handy nicht klingeln durfte.
Sie hätte natürlich dafür sorgen können, dass es nicht klingelte. Sie hätte etwas dagegen unternehmen und es ganz einfach ausschalten können.
Aber sie war während ihrer Arbeitszeit hier. Es wäre ein Dienstvergehen, nicht erreichbar zu sein. Und sie hatte auf jeden Fall noch nicht angefangen, ihre Arbeit zu vernachlässigen. So tief war sie noch nicht gesunken.
Also klingelte das Handy genau in dem heiligen Augenblick. Langsam nahm sie den Blick vom Himmelsauge, griff nach ihrem Handy, schaute aufs Display, sah, dass es Sara Svenhagen war, und beschloss, sich zu melden.
»Ja, Sara?«
»Ich glaube, wir haben etwas ziemlich Wichtiges gefunden«, erklärte Sara Svenhagen. »Wir brauchen einen Hausdurchsuchungsbefehl. Außerdem wäre ein bisschen Unterstützung nicht schlecht.«
»Was ist denn passiert?«
»Langversion oder Kurzversion?«
»So lang, wie du brauchst, um mich zu überzeugen.«
»Hinter dem Überfall auf den Videoladen in Östermalm steckt ein größeres Verbrechen.«
»Der Junkie?«
»Der ist eine Nebenperson, wie Lena schon ganz richtig gesagt hat. Eine der Zeuginnen dagegen ist Hauptperson. Sie war unterwegs, um im Haus gegenüber ein illegales Abmagerungspräparat zu kaufen. Wir müssen so schnell wie möglich da rein. Alles lässt darauf schließen, dass sie im Augenblick dabei sind, ihre Sachen zu packen und den Laden dichtzumachen. Außerdem wird sie selbst vielleicht als Geisel dort festgehalten, denn sie ist verschwunden.«
»Ein Abmagerungspräparat?«
»Der schlimmsten Sorte. Wahrscheinlich stark gesundheitsschädlich.«
»Sind das nicht alle?«
»Nicht so wie Anamagica, das verspreche ich dir.«
»Okay«, sagte Kerstin und richtete sich auf. »Ich besorge einen Hausdurchsuchungsbefehl vom Staatsanwalt und kümmere mich um Verstärkung. Reicht Gunnar?«
»Reicht der Beste?«
»Obwohl er jetzt jemand Weißen im Schlepptau hat.«
»Wenn man das Gute will, muss man eben auch Nachteile in Kauf nehmen. Ich schlage als Treffpunkt Ecke Jungfrugatan und Tyskbagargatan vor.«
»Geht nicht rein, bevor die beiden kommen, falls es wirklich eine Bande ist«, sagte Kerstin Holm. »Ich simse euch, wenn der Staatsanwalt grünes Licht gibt.«
Sie beendete das Gespräch und wischte sich das Gras von den Knien ihrer Jeans. Dann seufzte sie tief und trat an den Grabstein. Sie strich leicht mit der Hand über die frisch gemeißelten Buchstaben und sagte: »Heute also nur ein Quickie, Bengt. Aber du kennst ja den Job.«
Danach rief sie Gunnar Nyberg an.
*
Gunnar Nyberg und Arto Söderstedt saßen vor einem Computer. Und zwar schon ziemlich lange. Der Bildschirm war völlig weiß und blank.
»Schon drei Stunden«, sagte Arto Söderstedt. »Ich werde langsam schneeblind.«
»Wir müssen vielleicht nicht ganz so gewissenhaft sein«, schlug Gunnar Nyberg vor. »Vielleicht übertreiben wir.«
»Aber stell dir vor, ein so avanciertes kriminelles Hirn wie Dr. Mrs Nora Higgins zu fassen zu kriegen. Das ist permanente Sehstörungen wert.«
»Wir könnten uns auf jeden Fall abwechseln.«
»Zumindest theoretisch.«
Dann verstummten sie und wandten sich wieder ihrer merkwürdigen Fahndungsarbeit zu. Und
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